St. Vincenz zu Altenhagen I

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Sieben Zitate bzw. Fabeln von Martin Luther

28.10.2023

Sieben Zitate bzw. Fabeln von Martin Luther
für den 21. Sonntag nach Trinitatis,
das Reformationsfest
sowie für die Woche
vom 29.Oktober bis 4. November 2023

Im Jahre 1530 befindet sich Martin Luther
auf der Veste Coburg,
während sein Weggefährte Philipp Melanchthon
in Augsburg auf dem dortigen Reichstag
in Gegenwart des Kaisers Karl V
und Vertreter der katholischen Kirche
die Position der Reformatoren aus Wittenberg
vorgestellt hat.
Martin Luther selbst konnte
in Augsburg nicht dabei sein.
Er hat die Zeit auf der Veste Coburg
u.a. dafür genutzt,
die damals vielbeachteten Fabeln
des Äsop zu bearbeiten,
indem er sie präzisiert
und kommentiert hat.
Luther hat eine beliebte Fabelsammlung
aus dem Jahre 1480
in deutscher Sprache benutzt.
Das Thema Fabeln spielte als Lehrstoff
der Klosterschulen und dem dortigen Lateinunterricht
eine große Rolle.
Luther hat, wie heutzutage vielfach üblich,
eine einfache Sprache gewählt.
Die von Luther überarbeiteten Fabeln
sind erst 1557 erschienen,
also nach seinem Tode.
Vielleicht ist der Hinweis interessant,
dass Luther seiner Bearbeitung der Fabeln
 eine Vorrede beigegeben hat.
Das hat er auch bei der Übersetzung
des Neuen Testaments getan.
Diese Entsprechung zeigt die Hochschätzung,
die die Fabeln von Äsop bei Luther hatten.
Martin Luther empfiehlt eine pragmatische
und kluge Lebensweise.
Man kann durchaus an ein Wort von Jesus Christus denken:
 „Siehe, ich sende euch
wie Schafe mitten unter die Wölfe.
Darum seid klug
wie die Schlangen. (Matthäus 10,16)

Vom Frosch und der Maus
Eine Maus wäre gern
über ein Wasser gewest (gefahren)
und konnte nicht und bat einen Frosch
um Rat und Hilfe.
Der Frosch war ein Schalk
und sprach zur Maus:
„Binde deinen Fuß an meinen Fuß,
so will ich schwimmen
und dich hinüberziehen.“
Da sie aber aufs Wasser kamen,
tauchet der Frosch hinunter
und wollt die Maus ertränken.
Indem aber die Maus
sich wehret und arbeitet,
flog ein Weihe (Greifvogel) daher
und erhaschet die Maus,
ziehet den Frosch auch mit heraus
und frisset beide.

Martin Luther kommentiert:
„Siehe dich für, mit wem du handelst.
Die Welt ist falsch und untreu.
Denn welcher Freund
den andern vermag zu betrügen,
der steckt ihn in den Sack.
Doch schlägt Untreue
allzeit ihren eigenen Herrn,
wie dem Frosch hier geschieht.“

Vom Hahn und der Perle
Ein Hahn scharret auf dem Mist
und fand eine köstliche Perle.
Als er dieselbige
im Kot so liegen sah,
sprach er:
„Siehe, du feines Dinglein,
liegst hier so jämmerlich.
Wenn dich ein Kaufmann fände,
der würde deiner froh werden
und du würdest
zu großen Ehren kommen.
Aber du bist mir und ich dir,
kein (nicht) nütze.
Ich nehme ein Körnlein
oder Würmlein
und ließe einem alle Perlen.
Magst bleiben,
wie du liegst.

Martin Luther kommentiert
„dass man die Lehre
aber auch nicht verachten solle“,
dass also sowohl Broterwerb
als auch Kunst ihren Wert haben,“

Vom Hund und Schaf
Der Hund sprach (verklagte)
ein Schaf vor Gericht um Brot an,
das er ihm geliehen hätte.
Da aber das Schaf leugnete,
berief sich der Hund auf Zeugen.
Die musste man zulassen.
Der erste Zeuge war der Wolf,
der sprach: „Ich weiß,
dass der Hund dem Schaf
Brot geliehen hat.“
Der Weihe sprach:
„Ich bin dabei gewesen.“
Der Geier sprach zum Schaf:
„Wie kannst du
so unverschämt leugnen?“
Also verlor das Schaf seine Sache
und musste mit Schaden
zur uneben (ungünstigen) Zeit
seine Wolle angreifen,
damit es das Brot bezahlt,
das es nicht schuldig war.

Martin Luther kommentiert

„Hüte dich vor bösen Nachbarn,
 oder schicke (rüste) dich mit Geduld,
willst du bei (solchen) Leuten gewinnen.
Denn es gönnet
niemand dem andern was Guts.
Das ist der Welt Lauf.“

Vom Hund im Wasser
Es lief ein Hund
durch einen Wasserstrom
und hatte ein Stück Fleisch im Maul.
Als er aber den Schemen (Spiegelbild)
vom Fleisch im Wasser siehet,
wähnet er, es wäre auch Fleisch
und schnappet gierig danach.
Da er aber das Maul auftat,
entfiel ihm das Stück Fleisch,
und das Wasser führet‘s weg.
Also verlor er beide,
das Fleisch und den Schemen.

Martin Luther kommentiert:
„Man soll sich begnügen lassen
an dem, was Gott gibt.
Wer das wenige verschmähet,
dem wird das Große nicht.
Wer zu viel haben will,
der behält zuletzt nichts.
Mancher verliert das Gewisse
über dem Ungewissen.“

Vom Raben und Fuchs
Ein Rabe hatte einen Käse gestohlen
und setzte sich auf einen hohen Baum
und wollte verzehren.
Als er aber seiner Art nach
nicht schweigen kann,
wenn er isset,
höret ihn ein Fuchs
über dem Käse kecken
und lief zu ihm und sprach:
„Oh, Rabe, nun habe ich mein Lebtag
keinen schöneren Vogel
von Federn und Gestalt gesehen,
denn du bist.
Und wenn du auch
so eine schöne Stimme
hättest zu singen,
so sollte man dich zum König krönen
über alle Vögel.“
Den Raben kitzeln
solches Lob und Schmeicheln.
Er fing an
und wollte seinen schönen Gesang
hören lassen.
Als er den Schnabel auftat,
entfiel ihm der Käse.
Den nahm der Fuchs behänd,
fraß ihn und lachet
über den törichten Raben.

Martin Luther kommentiert:
„Hüte dich, wenn der Fuchs den Raben lobt.
Hüte dich vor Schmeichlern,
so schinden und schaben etc.“

Die Stadtmaus und die Feldmaus
Eine Stadtmaus ging spazieren
und kam zu einer Feldmaus,
die tat ihr gütlich
mit Eicheln, Gerste, Nüssen
und womit sie konnte.
Aber die Stadtmaus sprach:
„Du bist eine arme Maus,
was willst du in Armut leben.
Komm mit mir,
ich will dir und mir
genug schaffen
mit allerlei köstlicher Speise.“
Die Feldmaus zog mit ihr hin
in ein herrlich schönes Haus,
darin die Stadtmaus wohnet.
Und sie gingen
in die Kemnoten (Vorratskammer),
die war voll auf von Brot,
Fleisch, Speck, Würsten,
Käse und allem.
Da sprach die Stadtmaus:
„Nun iss und sei guter Dinge,
solche Speise habe ich
täglich im Überfluss.“
Indes kommt der Kellner
(Küchen- und Kellermeister)
und rumpelt mit Schlüsseln
an der Tür.
Die Mäuse erschraken
und liefen davon.
Die Stadtmaus fand bald ihr Loch,
aber die Feldmaus
wusste nirgends hin
und lief die Wand auf und ab
und war in Lebensgefahr.
Da der Kellner wieder hinaus war,
sprach die Stadtmaus:
„Es hat nun keine Not,
lass uns guter Dinge sein.“
Die Feldmaus antwortete:
„Du hast gut sagen,
du wusstest dein Loch fein zu treffen,
dieweil ich schier
vor Angst gestorben bin.
Ich will dir sagen,
was die meine Meinung ist.
Bleibe du eine reiche Stadtmaus
und friss Würste und Speck.
Ich will ein armes Feldmäuslein bleiben
und meine Eicheln essen.
Du bist keinen Augenblick sicher
vor dem Kellner,
solches alles
bin ich frei und sicher
in meinem armen Feldlöchlein.“

Martin Luther kommentiert:
„In großen Wassern
sehet man große Fische.
Aber in kleinen Wassern
sehet man gute Fischlein.
Wer reich ist,
hat viele Neider, Sorge und Gefahr.“

Vom Wolf und Lämmlein
Ein Wolf und Lämmlein
kamen beide an einen Bach
zu trinken.
Der Wolf trank oben am Bach,
das Lämmlein aber fern unten.
Da der Wolf
des Lämmleins gewahr ward,
lief er zu ihm und sprach:
„Warum trübest
du mir das Wasser,
dass ich nicht trinken kann?“
Das Lämmlein antwortet:
„Wie kann ich dir
das Wasser trüben,
trinkst du doch über mir
und möchtest
es mir wohl trüben?“
Der Wolf sprach:
„Wie? Fluchst du
mir noch dazu?“
Das Lämmlein antwortet:
„Ich fluche nicht.“
Der Wolf sprach:
„Ja, dein Vater
tat mir vor sechs Monden
auch ein solch’s.“
Das Lämmlein antwortet:
„Bin ich doch
dazumal noch nicht
geboren gewest,
wie soll ich es
meinem Vater entgelten?“
Der Wolf sprach:
„So hast du mir
aber meine Wiesen und Äcker
abgenaget und verderbet.“
Das Lämmlein antwortet:
„Wie ist das möglich,
habe ich doch
gar keine Zähne?“
„Ey“, sprach der Wolf,
„und wenn du gleich viel ausreden
und schwätzen kannst,
will ich heute nicht ungefressen
(d.h. ohne Fressen bleiben.“
Und würget also
das unschuldige Lämmlein
und fraß es.

Martin Luther kommentiert:
Der Welt Lauf ist:
Wer fromm sein will, der muss leiden,
sollt man eine Sache
vom alten Zaun brechen.
Denn Gewalt geht vor Recht.“

 
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