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Andacht für die Woche vom 8. Oktober bis 14. Oktober 2023

08.10.2023

Andacht für die Woche
vom 8. Oktober bis 14. Oktober 2023

über das Evangelium
des 18. Sonntag nach Trinitatis
„Reichtum und Nachfolge“
Verfasser: Dietrich Bonhoeffer
(zitiert aus: Nachfolge, geschrieben 1937 -
hier gekürzt)

Markus 10, 17-27:
Reichtum und Nachfolge

Und als er hinausging auf den Weg,
lief einer herbei, kniete vor ihm nieder
und fragte ihn: Guter Meister,
was soll ich tun,
damit ich das ewige Leben ererbe?     
    Aber Jesus sprach zu ihm:
Was nennst du mich gut?
Niemand ist gut als der eine Gott.
Du kennst die Gebote:
„Du sollst nicht töten;
du sollst nicht ehebrechen;
du sollst nicht stehlen;
du sollst nicht falsch Zeugnis reden;
du sollst niemanden berauben;
du sollst deinen Vater ‚
und deine Mutter ehren.“
Er aber sprach zu ihm:
Meister, das habe ich alles gehalten
von meiner Jugend auf.
    Und Jesus sah ihn an
und gewann ihn lieb und sprach zu ihm:
Eines fehlt dir. Geh hin,
verkaufe alles, was du hast,
und gib’s den Armen,
so wirst du einen Schatz im Himmel haben,
und komm, folge mir nach!
Er aber wurde betrübt über das Wort
und ging traurig davon;
denn er hatte viele Güter.
    Und Jesus sah um sich
und sprach zu seinen Jüngern:
Wie schwer werden die Reichen
in das Reich Gottes kommen!
    Die Jünger aber entsetzten sich
über seine Worte.
Aber Jesus antwortete wiederum
und sprach zu ihnen:
Liebe Kinder, wie schwer ist’s,
ins Reich Gottes zu kommen!
    Es ist leichter,
dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe,
als dass ein Reicher
ins Reich Gottes komme.
Sie entsetzten sich
aber noch viel mehr
und sprachen untereinander:
Wer kann dann selig werden?
   Jesus sah sie an und sprach:
Bei den Menschen ist’s unmöglich,
aber nicht bei Gott;
denn alle Dinge sind möglich
bei Gott.


Dietrich Bonhoeffer schreibt
zu diesem Evangelium vom 18. Trinitatis-Sonntag
in einem Buch mit dem Titel „Nachfolge“‘
im Jahre 1937 wie folgt


Die Frage des Jünglings
nach dem ewigen Leben
ist die Frage nach dem Heil,
sie ist die einzig ernste Frage schlechthin. (...)
Der Ruf in die Nachfolge
bekommt auch hier keinen anderen Inhalt
als Jesus Christus selbst,
die Bindung an ihn,
die Gemeinschaft mit ihm.
Aber nicht schwärmerische Verehrung
eines guten Meisters,
sondern Gehorsam gegen den Sohn Gottes
ist die Existenz des Nachfolgenden. ...
Als Jesus vom reichen Jüngling
freiwillige Armut forderte,
da wusste dieser, dass es hier
nur Gehorsam oder Ungehorsam gab. ...
Würde Jesus Christus
durch die Heilige Schrift
heute zu einem von uns so sprechen,
so würden wir
wohl folgendermaßen argumentieren:
Jesus befiehlt etwas ganz Bestimmtes,
das ist wahr.
Wenn aber Jesus befiehlt,
dann soll ich wissen,
dass er niemals gesetzlichen Gehorsam fordert,
sondern dass er nur eines von mir will,
nämlich dass ich glaube.
Mein Glaube aber ist nicht gebunden
an Armut oder Reichtum oder ähnliches,
vielmehr kann ich im Glauben beides,
arm und reich sein.
Nicht darauf kommt es an,
dass ich keine Güter habe,
sondern dass ich die Güter so habe,
als hätte ich sie nicht,
und dass ich innerlich von ihnen frei bin,
dass ich mein Herz nicht an meinen Reichtum hänge.
Also Jesus sagt etwa:
Verkaufe deine Güter!
Jesus meint aber:
Nicht darauf kommt es in Wahrheit an,
dass du das nun auch äußerlich vollziehst,
vielmehr sollst du die Güter ruhig behalten,
aber du sollst sie haben,
als hättest du sie nicht.
Hänge dein Herz nicht an die Güter.
Unser Gehorsam gegen das Wort Jesu
würde also darin bestehen,
dass wir den einfältigen Gehorsam
als gesetzlich gerade verweigern,
um dann „im Glauben“ gehorsam zu sein.
Damit unterscheiden
wir uns vom reichen Jüngling. ...
Er trennte sich von Jesus
und gewiss hat diese Aufrichtigkeit
größere Verheißung
als eine Scheingemeinschaft mit Jesus,
die auf dem Ungehorsam beruht.

Und weiter schreibt Bonhoeffer in demselben Werk
„Nachfolge“ an anderer Stelle:


Billige Gnade
ist der Todfeind unserer Kirche.
Unser Kampf heute geht
um die teure Gnade.
Billige Gnade
heißt Rechtfertigung der Sünde
und nicht des Sünders.
Weil Gnade doch alles allein tut,
darum kann
alles beim alten bleiben…
Teure Gnade
ist das Evangelium,
das immer wieder gesucht,
die Gabe, um die gebeten,
die Tür, an die angeklopft
werden muss.
Teuer ist sie,
weil sie in die Nachfolge ruft,
Gnade ist sie,
weil sie in die Nachfolge Jesu Christi ruft.
Luther hatte gelehrt,
dass der Mensch
auch in seinen frömmsten Wegen
und Werken
vor Gott nicht bestehen kann,
weil er im Grund
immer sich selbst sucht.
Er hatte in dieser Not
die Gnade der freien
und bedingungslosen Vergebung
aller Sünden im Glauben ergriffen.
Luther wusste dabei,
dass ihm diese Gnade
ein Leben gekostet hatte
und noch täglich kostete;
denn er war ja durch die Gnade
nicht dispensiert von der Nachfolge,
sondern erst recht
in sie hineingestoßen.
Wenn Luther von der Gnade sprach,
so meinte er
sein eigenes Leben immer mit,
das durch die Gnade
erst in den vollen Gehorsam Christi
gestellt worden war.
Er konnte gar nicht anders
von der Gnade reden,
als eben so.
Dass die Gnade allein es tut,
hatte Luther gesagt, ‚
und wörtlich so
wiederholten es seine Schüler,
mit dem einzigen Unterschied,
dass sie sehr bald das ausließen
und nicht mitdachten und sagten,
was Luther immer selbstverständlich
mitgedacht hatte,
nämlich die Nachfolge,
ja, was er nicht mehr zu sagen brauchte,
weil er ja immer selbst
als einer redete, den die Gnade
in die schwerste Nachfolge Jesu
geführt hatte.
Die Lehre der Schüler
war also unanfechtbar
von der Lehre Luthers her,
und doch wurde diese Lehre
das Ende und die Vernichtung
der Reformation als der Offenbarung
der teuren Gnade Gottes auf Erden.
Aus der Rechtfertigung
des Sünders in der Welt
wurde die Rechtfertigung der Sünde
und der Welt.
Aus der teuren Gnade
wurde die billige Gnade
ohne Nachfolge.

 
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