St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 8. August bis 14. August 2021

08.08.2021

Andacht für die Woche vom 8. August  bis 14. August  2021
über den Wochenpsalm des 10. Sonntags nach Trinitatis
Psalm 74

Verfasser: Superintendent in Ruhe Wilhelm Niedernolte (Eldagsen)


Gott, warum verstößest du uns für immer
und bist so zornig über die Schafe deiner Weide?
Gedenke an deine Gemeinde,
die du vorzeiten erworben
und dir zum Erbteil erlöst hast,
an den Berg Zion, auf dem du wohnest.

Richte doch deine Schritte zu dem,
was so lange wüste liegt.
Der Feind hat alles verheert im Heiligtum.

Schau auf den Bund;
denn die dunklen Winkel des Landes
sind Stätten voller Gewalt.

Lass den Geringen nicht beschämt davongehen,
lass die Armen und Elenden rühmen deinen Namen.

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Sonntag in dieser Woche
hat in unserer evangelischen Kirche
seine besondere Prägung.
Es ist der Israelsonntag.
Er blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück.
In früheren Jahrzehnten
wurde der „Zerstörung Jerusalems“ gedacht.
Zweimal wurde Israel mit seinem Tempel zerstört:
im Jahr 587 v. Chr. von den Babyloniern
und 70/71 n. Chr. von den Römern.
Der Psalm dieser Woche
nimmt Bezug auf die erste Zerstörung
durch die Babylonier:
Der Feind hat alles verheert im Heiligtum. (Vers 3)
Das traditionelle Evangelium
in Lukas Kapitel 19 schreibt,
dass Jesus über Jerusalem weint
und ihr die Zerstörung voraussagt.

Das ist in der Theologie
und in der Kirche für lange Zeit
als Strafe Gottes
über die Juden gedeutet worden,
weil sie Jesus
nicht als ihren Messias anerkannt haben
und fügte sich ein
in eine damalige antijüdische Propaganda.
Nach dem 2. Weltkrieg
gab es ein anderes Gedenken
der Zerstörung Jerusalems:
Es stand im Zeichen des Rufes zur Reue
und zur Umkehr für beide,
Juden und Christen,
und zum Gehorsam gegen Gottes Gebote. 
Heute ist dieser Sonntag
eine Zeitansage
des Verhältnisses von Juden und Christen,
eine Bestärkung des christlich – jüdischen Dialogs.
Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt:
Christen und Juden haben viel gemeinsam,
bei allem, was sie auch trennt.
Wir haben gleiche Wurzeln.
Und wir Christen
sind ein Zweig am Stamm des Judentums,
wie Paulus es im Römerbrief beschreibt.
Wir Christinnen und Christen
sind also nicht das Volk,
das Gott erwählt hat,
nachdem er das jüdische Volk verworfen hat.
Wir sind als auserwähltes Volk Gottes
zum auserwählten Volk der Juden hinzugekommen.
Von da her verbietet sich jeder Versuch
seitens der Christen,
Juden zum Christentum
bekehren zu wollen.
Der deutsch – israelische Journalist
und Religionswissenschaftler Schalom Ben Chorin
formuliert das Verhältnis
von Juden und Christen so:
„Der Glaube Jesu
verbindet Christen und Juden,
der Glaube an Jesus
trennt beide.“

Der Psalmsänger betet:
„Schau auf den Bund.
Lass den Geringen
nicht beschämt davongehen.
Lass die Armen und Elenden
rühmen deinen Namen.“
     Damit nimmt er Bezug
auf verschiedene Bundesschlüsse Gottes
mit den Menschen.
Nach der großen Flutkatastrophe
zur Zeit des Noah
setzt Gott den Regenbogen
als Zeichen seines Bundes
und seiner Treue zu den Menschen
in die Wolken.
Gott schließt einen Bund mit Abraham
und verspricht ihm,
ihn zu einem großen Volk zu machen.
Gott schließt einen Bund am Sinai,
als er Mose die 10 Gebote übergibt.
     An dieses Treueversprechen Gottes

erinnert der Psalmsänger,

wenn er sagt:

„Schau auf deinen Bund,
der noch immer auch für uns gilt.“
     Wir Christen glauben,
dass Gott einen Bund auch mit uns
und allen Menschen geschlossen hat,
in dem gekreuzigten und auferstandenen Christus,
den Bund seiner Menschenfreundlichkeit.
Der gilt bis heute und in Zukunft.
Er soll uns ermutigen
und stärken in schweren Zeiten.
Auch wir dürfen ihn bitten:
Schau auf deinen Bund.“


Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit.

Wilhelm Niedernolte

 
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