St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 5. November bis zum 11. November 2023

05.11.2023

Andacht für die Woche
vom 5. November bis zum 11. November 2023
über das Evangelium
aus Matthäus 18, 21 – 35
für den 22. Sonntag nach Trinitatis
Verfasser:
Superintendent in Ruhe
Jürgen Flohr (Springe – früher Syke)


Evangelium nach Matthäus 18,21-35:
Von der Vergebung (Der Schalksknecht)

21 Petrus trat zu Jesus
und sprach zu ihm:
Herr, wie oft muss ich
denn meinem Bruder,
der an mir sündigt, vergeben?
Ist' s genug siebenmal?

22 Jesus sprach zu ihm:
Ich sage dir: nicht siebenmal,
sondern siebzigmal siebenmal.

23 Darum gleicht das Himmelreich
einem König, der mit seinen Knechten
abrechnen wollte.

24 Und als er anfing abzurechnen,
wurde einer vor ihn gebracht,
der war ihm
zehntausend Zentner
Silber schuldig.

25 Da er's nun nicht
bezahlen konnte,
befahl der Herr,
ihn und seine Frau
und seine Kinder
und alles, was er hatte,
zu verkaufen und zu zahlen.

26 Da fiel der Knecht nieder
und flehte ihn an und sprach:
Hab Geduld mit mir;
ich will dir's alles bezahlen.

27 Da hatte der Herr Erbarmen
mit diesem Knecht
und ließ ihn frei
und die Schuld
erließ er ihm auch.

28 Da ging dieser Knecht hinaus
und traf einen seiner Mitknechte,
der war ihm
hundert Silbergroschen schuldig;
und er packte und würgte ihn
und sprach:
Bezahle, was du schuldig bist!

29 Da fiel sein Mitknecht nieder
und bat ihn und sprach:
Hab Geduld mit mir;
ich will dir's bezahlen.

30 Er wollte aber nicht,
sondern ging hin
und warf ihn ins Gefängnis,
bis er bezahlt hätte,
was er schuldig war.

31 Als nun seine Mitknechte
das sahen,
wurden sie sehr betrübt
und kamen und brachten
bei ihrem Herrn alles vor,
was sich begeben hatte.

32 Da befahl ihn
sein Herr zu sich
und sprach zu ihm: 
Du böser Knecht!
Deine ganze Schuld
habe ich dir erlassen,
weil du mich gebeten hast;

33 hättest du dich
da nicht auch erbarmen sollen
über deinen Mitknecht,
wie ich mich
über dich erbarmt habe?

34 Und sein Herr wurde zornig
und überantwortete ihn
den Peinigern,
bis er alles bezahlt hätte,
was er schuldig war.

35 So wird auch
mein himmlischer Vater
an euch tun,
wenn ihr nicht
von Herzen vergebt
ein jeder seinem Bruder.


Liebe Lesende,
ein schwieriges Thema,
das Jesus hier anspricht: 
Die Vergebung von Schuld.

Sie fällt uns
nämlich ziemlich schwer,
solche Vergebung.

     Wenn ein anderer Mensch
mich beleidigt
oder gar betrogen hat,
so bin ich böse auf ihn
und möchte ihm

das Unrecht heimzahlen,
das er mir angetan hat!

Oder sind wir doch bereit,
auch Bosheiten zu vergeben? -
wie wir es
im Vater-Unser versprechen,
wenn wir Gott bitten:
Vergib uns unsere Schuld
wie auch wir
vergeben unseren Schuldigern. 

     Der Jünger Petrus
war dazu bereit, zu vergeben,
wie wir aus seinem Gespräch
mit Jesus erfahren.
Er war sogar bereit,
dem Menschenbruder
siebenmal zu vergeben,
was mir eine beachtliche
moralische Leistung zu sein scheint.
Doch Jesus genügt das nicht.
Er will mit seiner Antwort
„nicht siebenmal,
sondern siebzig mal
siebenmal“ die Aufrechnerei
der zwischenmenschlichen Bosheiten
überhaupt beenden
und zur grundsätzlichen
Vergebungsbereitschaft aufrufen.

     Zur Begründung
und Erklärung erzählt er
das oben zitierte Gleichnis.
Alle Aspekte dieser Beispielerzählung
kann ich hier nicht ausführlich auslegen,
aber auf die entscheidenden Punkte
möchte ich hinweisen:

Die Summe,
die der 1. Knecht dem König schuldet,
ist riesig und im Grunde unbezahlbar;
nach heutigem Geld
käme man auf ca. 3 Milliarden Euro.
Dagegen ist die Summe,
die der Mitknecht
dem 1. Knecht schuldet, gering.

Es wäre der 500000. Teil

dessen, was der 1. Knecht

dem König schuldig war.

Diesem 1. Knecht

wird vom König

auf seine flehentliche Bitte hin

die Riesenschuld erlassen.
Von seinem Mitknecht
aber fordert er
dessen kleine Schuld
erbarmungslos ein
und lässt ihn sogar
in Schuldhaft nehmen.

Das empört
verständlicherweise
die anderen Mitknechte,
und sie melden dies dem Herrn.
Daraufhin wird der König zornig
über den 1. Knecht,
der die ihm erwiesene große Gnade
so gar nicht weitergeben will
an seinen Mitknecht,
und der Herr bestraft
den 1. Knecht hart.

    Was bedeutet
diese Erzählung für uns?

Mit dem König
ist gewiss Gott gemeint (s. Vers 35),
der uns Menschen
unsere große Schuld
ihm gegenüber vergeben will;
der aber auch erwartet,
dass wir nun den Mitmenschen
ihre kleine Schuld uns gegenüber
ebenfalls vergeben.
Und da geht es
nicht mehr um Geld,
sondern um Bosheiten
zwischen Menschen,
um kleinere und größere Untaten.

     Diese sollen wir vergeben
so wie der Vater im Himmel
uns unsere Schuld vergeben will,
wenn wir ihn darum bitten.

     Sind wir dazu bereit?

Im Allgemeinen sind wir Menschen
dazu eben nicht bereit,
sondern wir beharren auf Vergeltung,
wenn jemand mir gegenüber
schuldig geworden ist.

So ist das leider oft, -
im persönlichen Bereich,
im Beruf, im Geschäftsleben
und zwischen Völkern.
Wir erfahren jeden Tag davon, -
angefangen beim Streit
zwischen Nachbarn
bis hin zum Krieg im Nahen Osten.

     Unselig und uferlos ist dieses
„Wie du mir, so ich dir!“,
und wenn nicht eine Seite
mit Vergebung
und Versöhnung beginnt,
hört das Vergelten
und das Töten nicht auf.

     Deshalb sollten wir
auf Jesus hören und wenigstens
in unserem Umfeld versuchen,
mit dem Vergeben zu beginnen.
Vielleicht breitet es sich dann aus,
das Verständnis füreinander
und die Nächstenliebe,
die wir alle so nötig brauchen.

     Vielleicht wird sogar
das gesellschaftliche Klima
freundlicher,
und die Völker kommen
zu gegenseitigem Verständnis
und Frieden
wie wir es in Europa
seit 70 Jahren erlebt hatten.

     Beginnen wir also
mit dem Verzeihen dort,
wo wir es können.
Das wäre es,
was Jesus von uns fordert!


Jürgen Flohr

 
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