St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 29. August bis 4. September 2021

28.08.2021

Andacht für die Woche vom 29. August bis 4. September 2021
über den Wochenpsalm des 13. Sonntags nach Trinitatis
Psalm 112,5

Verfasser: Superintendent in Ruhe Wilhelm Niedernolte (Eldagsen)

 

Wohl dem, der barmherzig ist
und gerne leiht
und das Seine tut,
wie es recht ist.

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Psalm 112 unterscheidet sich
von vielen anderen Psalmen in der Bibel.
Meistens geht es in den Psalmen
um das Lob Gottes,
wie z. B. im Psalm 103:
Lobe den Herrn, meine Seele,
und vergiss nicht,
was er dir Gutes getan hat.
Im Psalm 112
wird das Lob
auf die Menschen ausgedehnt,

auf die, die den Herrn fürchten.
Sie werden im Wohlstand leben,
in Reichtum und Gerechtigkeit.
Er wird mächtig sein,
sagt der Psalm.

An dieser Stelle jedoch
muss ich Widerspruch anmelden;
denn auch Menschen,
die an Gott glauben
und Freude haben an seinen Geboten,
erfahren nicht nur Reichtum
und Wohlstand,
sondern auch Leid,
Armut und Elend.
Andernfalls wäre der Glaube der Christen
nur ein Wohlstandsglaube,
und Erfahrungen von Leid, Armut und Elend  
wären ein Hinweis
auf einen Mangel an Gottes Segen.
Das ist jedoch nicht der Fall.
Sondern wer mit dem Jesus von Nazareth
unterwegs ist,
muss wissen,
dass dieser Weg
nicht nur die Auferstehung kennt,
sondern gelegentlich auch die Kreuzigung.
Also: Widerspruch gegen den Psalm an dieser Stelle.

     Allerdings Zustimmung zum 5. Vers:
Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leiht.
Das erinnert zunächst
an die Bergpredigt beim Evangelisten Matthäus:
Selig sind die Barmherzigen,
denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
In der Tat: Wer barmherzig ist,
ein mitfühlendes Herz hat –
mit den Menschen in Ahrweiler
und anderswo,
die ihr Zuhause
durch die Flutkatastrophe verloren haben,
mit  den Opfern der Brandkatastrophen
im Mittelmeerraum, in Australien und in Alaska,
mit den Menschen in Kabul
und ganz Afghanistan,
die nicht wissen,
wie es mit ihnen weitergehen soll –
wer ein mitfühlendes Herz hat,
darf darauf hoffen,
dass er und  sie seinerseits
und ihrerseits auch
in Notlagen auf mitfühlende Herzen
treffen wird.
Ich bin froh und dankbar,
dass in dem Land,
in dem ich lebe,
so unglaublich viele
mitfühlende Herzen schlagen,
die nicht nur mit schlagen,
sondern auch mithelfen,
die Not zu lindern mit Geld
und Sachspenden.

     Wohl dem, der gerne leiht,
sagt der Psalm weiter.
Martin Luther und andere Reformatoren
standen sehr kritisch
gegenüber dem Geldverleih gegen Zinsen.
Geld mit Geld zu verdienen
hielten sie für Sünde.
Das ist heute längst nicht mehr
die Position der Kirchen,
denn auch sie legen Geld an
und finanzieren ihre Arbeit
teilweise auch
über die dadurch erzielten Zinsen,
was in der zurückliegenden Niedrigzinsphase
allerdings weniger möglich war.
Auch Kirchen sind in überschaubarem Umfang
an Geldgeschäften beteiligt
und bewirken Gutes damit,
z.B. mit ihrer Bank,
die den Namen „Oikocredit“ trägt.
Dazu ist auf der homepage
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu lesen:

Die im niederländischen Amersfoort
ansässige ökumenische Entwicklungsbank
Oikocredit verdankt ihre Entstehung
den in den siebziger Jahren
erkannten ökumenischen
und entwicklungspolitischen Herausforderungen
der europäischen evangelischen Kirchen:
Den Menschen in den ärmeren Ländern
nicht einfach nur materiell zu helfen,
sondern Hilfe durch Selbsthilfe
zu ermöglichen -
als einen Beitrag zur Gerechtigkeit
in der einen Welt.
Da örtliche Initiativen
in Ländern in der sogenannten Dritten Welt
nach klassischen Bankregeln
meist als nicht kreditwürdig gelten
(mangels verwertbarer Sicherheiten),
hat es sich Oikocredit zur Aufgabe gemacht,
hier einen Geldtransfer
von Nord nach Süd vorzunehmen.
Damit wird es auch Kleinstunternehmen ermöglicht,
zu Krediten zu kommen und zu investieren.
Die Kredite werden in der Regel
in der Landeswährung ausgereicht,
sind zinsgünstig
und setzen ein wirtschaftliches Konzept voraus.
Oikokredit finanziert sich durch Anteile,
die besondere Freundeskreise vertreiben.

Diese Anteile (zu je 400 Euro)
werden gering verzinst
und gelten als sichere Anlagen.
Die ausgereichten Kleinkredite
werden in einer sehr hohen Quote
auch tatsächlich zurückgezahlt.
In neuerer Zeit hat auch die Weltbank erkannt,
dass solche Kleinstkredite
ein probates Mittel sind,
wirksam zu helfen.
Als Microkredite
erlangen sie im weltweiten Finanzwesen
langsam wachsende Bedeutung.
(Mehr dazu auf www.oikocredit.org )
     Wohl dem, der gerne leiht
heißt es im Psalm für diese Woche.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit.
Wilhelm Niedernolte

 
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