St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 28. August bis 3.September 2022

27.08.2022

Andacht für die Woche vom 28. August bis 3.September 2022
zum Wochenlied für den 11. Sonntag nach Trinitatis
„Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (EG 299)
Verfasser:
Superintendent in Ruhe Wilhelm Niedernolte
(Eldagsen)


1. Aus tiefer Not schrei ich zu dir,
Herr Gott, erhör mein Rufen.
Dein gnädig Ohr neig her zu mir
und meiner Bitt es öffne;
denn so du willst das sehen an,
was Sünd und Unrecht ist getan,
wer kann, Herr, vor dir bleiben?


2. Bei dir gilt nichts denn Gnad und Gunst,
die Sünde zu vergeben;
es ist doch unser Tun umsonst
auch in dem besten Leben.
Vor dir niemand sich rühmen kann;
des muss dich fürchten jedermann
und deiner Gnade leben.


3. Darum auf Gott will hoffen ich,
auf mein Verdienst nicht bauen.
Auf ihn mein Herz soll lassen sich
und seiner Güte trauen,
die mir zusagt sein wertes Wort.
Das ist mein Trost und treuer Hort;
des will ich allzeit harren.


4. Und ob es währt bis in die Nacht
und wieder an den Morgen,
doch soll mein Herz an Gottes Macht
verzweifeln nicht noch sorgen.
So tu Israel rechter Art,
der aus dem Geist geboren ward,
und seines Gottes harre.


5. O bei uns ist der Sünden viel,
bei Gott ist viel mehr Gnade.
Sein Hand zu helfen hat kein Ziel,
wie groß auch sei der Schade.
Er ist allein der gute Hirt,
der Israel erlösen wird
aus seinen Sünden allen.

Liebe Leserin, lieber Leser,
die Zahl der Nöte in unserem Land
ist in den letzten Monaten
und Jahren gestiegen.
Am Beginn der Pandemie
hatten wir die Hoffnung, es könnte
eine beherrschbare Krankheit sein.
Nach vielem Hin und Her
haben wir auch Wege gefunden,
mit der Pandemie umzugehen,
auch bei gleichzeitiger Erkrankung
vieler Menschen
und einer hohen Zahl an Toten.
Dann kamen die Folgen:
die körperlichen (long-covid),
die wirtschaftlichen
(Unterbrechung von Lieferketten),
die finanziellen
(Hilfe für Firmen und Personengruppen),
die menschlichen Folgen
(home-schooling, home-office).
Doch es gab Hoffnung:
Wirksame Medikamente
wurden entwickelt.
Die Zahl der Neuinfektionen sinkt,
die Wirtschaft erholte sich (teilweise).
Wir hatten den Eindruck,
wir könnten ein wenig aufatmen.

Doch dann kam der 24. Februar 2022.
Die russische Armee überfiel die Ukraine
und zerschoss ihre Städte.
Die Folgen waren schrecklich.
Viele Soldaten verloren ihr Leben,
viele Menschen in der Ukraine
verloren ihre Heimat und mussten fliehen.
Die Wirtschaft in Westeuropa
und damit der Wohlstand
gerieten in Gefahr,
nicht nur durch steigende Energiepreise.

Und dann das Dauerthema
„Erderwärmung/Klimawandel“,
das uns auch in den nächsten Jahren
noch mehr begleiten wird –
trotz aller geplanter Maßnahmen,
die die Erwärmung unserer Erde
verlangsamen sollen.

Aus tiefer Not schrei ich zu dir
dichtet Martin Luther
im Anschluss an den Psalm 130:
Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir.
Er hofft auf Gottes Gnade
(sola gratia – allein die Gnade).
Die zentrale Frage Martin Luthers war:
Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?
Seine Antwort: Allein durch Gottes Gnade.
Die Frage nach dem gnädigen Gott
steht heute nicht mehr
im Mittelpunkt unserer Fragen,
sondern eher:
Wie bekomme ich einen gnädigen Nachbarn?
Wie bekommen wir
Frieden mit unseren Nachbarn (in Europa)?
Vers 3:
Darum auf Gott will hoffen ich,
auf mein Verdienst nicht bauen.

Politikerinnen und Politiker
in unserem Land haben sich Verdienste erworben
in der Behebung der „tiefen Nöte“.
Dafür sind wir dankbar,
auch wenn uns die eine
oder andere Maßnahme
als kritikwürdig erscheint.
Offensichtlich ist aber auch:
Unsere Verdienste reichen nicht aus,
weder um einen gnädigen Gott zu bekommen,
noch um den Krieg in der Ukraine zu beenden,
noch um den Klimawandel aufzuhalten.
Darum auf Gott will hoffen ich,
auf mein Verdienst nicht bauen.

Auch persönliche Nöte
werden uns weiterhin begleiten:
der Verlust geliebter Menschen,
das Zerbrechen von Beziehungen,
die Gebrechen des Alters
und die Erfahrung von Sterben und Tod.

In allen Nöten
kommt beides zusammen:
Die Verdienste
und politischen Erfolge der Menschen,
unsere Vorsorge
und Anstrengungen
zur Milderung der persönliche Nöte -
und die Hoffnung auf Gott.
Deswegen werden nicht alle Nöte
aus der Welt geschafft,
aber wir können anders mit ihnen umgehen.
Die Erderwärmung und den Klimawandel
etwa werden wir nicht aufhalten können.
Die erdgeschichtlichen Zyklen
von Kälte- und Wärmephasen
werden sich fortsetzen.
Gegenwärtig sind wir auf dem Weg
zu einer Wärmephase.
Doch die von Menschen gemachte
zusätzliche Erderwärmung kann
und muss verlangsamt werden.
Denn: es ist ein großer Unterschied,
ob der Anstieg des Meeresspiegels
um einen Meter
in den nächsten hundert Jahren erfolgt
oder in den nächsten tausend Jahren.
Dafür lohnt es sich zu kämpfen,
jetzt, mit Gottes Hilfe
und mit dem Sachverstand von Menschen.

Aus tiefer Not schrei ich zu dir.
Herr Gott, erhör mein Rufen!
Darum auf Gott will hoffen ich,
auf mein Verdienst nicht (nur) bauen.


Bleiben Sie behütet!
Ihr Wilhelm Niedernolte

 
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