St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 22.10. bis 28.10.2023

23.10.2023

Andacht für die Woche
vom 22.10. bis 28.10.2023
über das Evangelium
des 20.Sonntags in der Trinitatiszeit
Verfasser:
Pfarrer in Ruhe Jürgen-Peter Lesch
(
Springe –
früher Pfarrer der EKD in Hannover)

Evangelium nach Markus 10,2-16
„Vom liebevollen Umgang miteinander“

Es kamen Pharisäer zu Jesus
und fragten ihn:
„Darf sich ein Mann
von seiner Frau scheiden lassen?“
Damit wollten sie Jesus
auf die Probe stellen.

Jesus antwortete:
„Was hat euch Mose vorgeschrieben?“

Da sagten die Pharisäer:
„Mose hat erlaubt,
dass ein Mann seiner Frau
eine Scheidungsurkunde ausstellt
und sie wegschickt.“

Jesus erwiderte: „Nur weil ihr
euer Herz gegen Gott
verschlossen habt, hat Mose euch
dieses Gebot gegeben.
Aber vom Anfang der Welt an
hat Gott die Menschen
als Mann und Frau geschaffen.

Deshalb verlässt ein Mann
seinen Vater und seine Mutter
und verbindet sich mit seiner Frau.
Die zwei sind dann eins
mit Leib und Seele.
Sie sind also nicht mehr zwei,
sondern ganz eins.
Was Gott so verbunden hat,
das soll der Mensch nicht trennen.“

Zu Hause fragten ihn
die Jünger noch einmal danach.
Jesus sagte zu ihnen:
„Wer sich von seiner Frau scheiden lässt
und eine andere heiratet,
der begeht Ehebruch
gegenüber der ersten.
Ebenso gilt:
Wenn sich eine Frau von ihrem Mann
scheiden lässt
und einen anderen heiratet,
begeht sie Ehebruch.“

Einige Leute brachten Kinder zu Jesus.
Sie wollten, dass er ihnen
die Hände auflegte.

Aber die Jünger wiesen sie
schroff zurück.
Als Jesus das merkte,
wurde er zornig und sagte zu ihnen:
„Lasst doch die Kinder
zu mir kommen, hindert sie nicht daran!
Denn für Menschen wie sie
ist das Reich Gottes da.

Amen, das sage ich euch:
Wer sich das Reich Gottes
 nicht wie ein Kind schenken lässt,
wird nie hineinkommen.“
Dann nahm er die Kinder in die Arme,
legte ihnen die Hände auf
und segnete sie.
(BasisBibel 2021)

Liebe Leserin, lieber Leser!
Im Evangelium für diesen Sonntag
werden zwei unterschiedliche Seiten
von Jesus dargestellt.
Da ist auf der einen Seite
der gesetzestreue, der klare
und offenbar unbeirrbare Jesus.
Auf die Frage von einigen Pharisäern,
ob ein Mann sich von seiner Frau
scheiden lassen darf,
stellt er zunächst eine Gegenfrage.
So müssen sie selbst
die Weisung zitieren,
die im fünften Buch Mose steht.
Dort ist geregelt, wie zu verfahren ist,
wenn ein Mann
sich von seiner Frau trennen will.
Es ist genau das:
eine Verfahrensregel.
In seiner Antwort macht Jesus
das deutlich: Weil es Menschen
nicht immer gelingt, mit der Ehe
als Schöpfungsgabe Gottes
richtig umzugehen,
gibt es die Möglichkeit der Scheidung.
Weil Menschen nur Menschen sind
und Fehler machen,
ist in der Tora
diese Möglichkeit vorgesehen.
    Den Pharisäern ging es
‚offenbar um Rechtsfragen.
Doch Jesus geht es
nicht um Rechtsfragen,
ihm geht es
um Gottes gute Schöpfungsordnung.
Gott hat sie, die Menschen,
‚von Anfang an als männlich
und weiblich erschaffen.
Jesus zitiert
aus dem zweiten Buch Mose:
Deshalb verlässt ein Mann
seinen Vater und seine Mutter
und verbindet sich mit seiner Frau.

Darum geht es Jesus.
In seiner Schöpfung hat Gott
von Anfang an den Menschen
als Mann und Frau geschaffen.
Und Jesus ergänzt:
„Was Gott zusammengefügt hat,
das soll der Mensch nicht scheiden“.
Er macht deutlich,
dass es in einer Ehe,
in einer Partnerschaft
um mehr geht
als um einen Rechtsakt.
Diese Beziehung zwischen zwei Menschen
ist eingeordnet in die Schöpfung Gottes.
‚„Es ist nicht gut,
dass der Mensch allein sei“,
heißt es im ersten Buch Mose.
Aufgefallen ist mir,
dass weder im ersten Buch Mose
noch in dem Zitat Jesu
von Mann und Frau die Rede ist.
Sowohl im Hebräischen
als auch im Griechischen steht dort:
„männlich und weiblich“.
Vielleicht interpretiere ich
zu viel in diese Wortwahl,
wenn ich vermute,
dass sich Partnerschaft und Ehe
nicht allein auf die Verbindung
von Mann und Frau beziehen.
Klar ist allerdings,
dass eine andere Form der Ehe
damals nicht im Blick war.
Jede Ehe stand unter der Verheißung,
Nachkommen zu haben.
Heute sehen wir das anders,
wobei der Wunsch nach Kindern
in fast allen Beziehungen,
seien es Ehe oder Partnerschaft,
eine wesentliche Rolle spielt.
    Auf die Nachfrage der Jünger
erläutert Jesus,
dass Ehebruch dann vorliegt,
wenn ein Ehepartner
den Ehebund verlässt
und sich mit einem anderen verehelicht.
Jesus schließt hier
nicht jegliche Scheidung
oder Trennung aus,
sondern er äußert sich
gegen einen Bruch
der fortbestehenden ersten Ehe
durch erneute Heirat.
Dabei ist hier davon die Rede,
dass sowohl der Mann
wie auch die Frau
sich nach dem Gesetz
scheiden lassen können.
    Dass die Jünger
noch einmal nachfragen,
als sie mit Jesus allein sind,
macht deutlich,
wie schwer das schon damals war:
Ein Leben lang
mit einem Ehepartner zusammenbleiben.
Da ist die in der Schöpfung
angelegte Verbindung zweier Menschen.
Doch die Verhältnisse,
die sind nicht so –
damals wie heute.
Eigentlich müssten zwei Menschen,
die sich voller Liebe und Freude
dazu entschlossen haben,
ein gemeinsames Leben zu gestalten,
doch für immer zusammenbleiben.
Aber das war auch damals schwierig
und ist heute vielleicht noch schwieriger.
Doch nicht nur das Zusammenbleiben
kann schwierig und unter Umständen
schmerzhaft sein,
auch die Trennung bringt,
selbst wenn sie wie eine Befreiung ist,
Sorge und Schmerz mit sich.
Zwar werden in Deutschland
mehr als ein Drittel aller Ehen
wieder geschieden,
doch die Zahl
sagt nichts darüber aus,
wieviel Not und Schmerz
im Einzelfall damit verbunden sind.
Da gibt es diese vielen Verletzungen,
die ein Mensch dem anderen
im Verlauf des Scheidungsgeschehens
zufügen kann.
Da gibt es den Schmerz darüber,
sich in einem anderen Menschen
getäuscht zu haben.
Die Frage, ob er oder sie
schon immer so war.
Ob ich es einfach nicht gemerkt habe,
nicht merken wollte,
wie sie oder er war, sich vehalten
und mich behandelt hat.
Da gibt es die Frage,
ob sie oder er
sich erst im Verlauf der Zeit,
im Zusammenleben mit mir
verändert hat.
Sind die Eigenschaften,
die ein Zusammenleben
immer schwerer gemacht haben,
erst nach und nach
ans Licht gekommen?
Habe ich erst nach und nach
entdecken können,
dass dieser Mensch anders ist,
als ich ihn mir vorgestellt
oder vielleicht nur gewünscht habe?
Dazu kommt die Sorge um die Kinder.
Wie erleben sie die Trennung?
Wie können wir als Eltern
weiterhin für sie sorgen?
Was wird für sie das Bestmögliche sein?
Wie werden sie sich entscheiden?
Wie wird sich die Trennung
auf ihr späteres Leben auswirken?
    Ich denke, dass in dem Text
ganz bewusst die Erzählung
über die Segnung der Kinder
durch Jesus angeschlossen ist.
Kinder leiden
‚beim Scheitern einer Beziehung
ganz besonders.
Oft wissen sie nicht,
wohin sie gehören
oder für wen
sie sich entscheiden sollen.
Manchmal fürchten sie,
der Grund für eine Trennung zu sein. ‚
Oder sie machen sich Vorwürfe,
weil sie doch
dafür hätten sorgen müssen,
dass ihre Eltern zusammenbleiben.
    Wenn es um Kinder geht,
zeigt sich eine andere Seite von Jesus.
Da ist der liebevolle
und fürsorgliche Mann,
der den Kindern
seine ganze Zuneigung widmet.
Der sie in Schutz nimmt
und verteidigt gegen seine Jünger,
die sie fortschicken wollen.
Jesus hat ein offenes Herz,
offene Augen und offene Arme
für die Kinder.
Er sagt:
Lasst diese Kinder doch so sein,
wie sie sind.
Ermöglicht es ihnen,
ihr eigenes Leben zu leben.
Sie sind offen für das Leben,
unbefangen und frei.
Das sollt ihr sehen und akzeptieren.
Doch denkt daran,
wie gefährlich es ist,
wenn ihr diese Offenheit ausnutzt,
wenn ihr versucht,
Kinder zu beeinflussen
und auf eure Seite zu ziehen.
Tut alles dafür,
dass sie ihr eigenes Leben finden
und gestalten können.
Sie sollen möglichst unbelastet
und frei ihren Weg gehen.
    Jesu Zuwendung
gilt besonders den Kindern.
Doch sein letzter Satz
„Amen, das sage ich euch:
Wer sich das Reich Gottes
nicht wie ein Kind schenken lässt,
wird nie hineinkommen“
richtet sich
an die Jüngerinnen und Jünger,
an alle Erwachsenen, an uns.
Das Reich Gottes
ist ein Geschenk an uns Menschen.
Gottes Schöpfungsordnung
ist ein Angebot an alle.
Wir versuchen,
dazu Gebote und Weisungen
zu formulieren.
Das kann eine Hilfe für uns sein,
aber auch eine Einschränkung.
Es besteht sogar die Gefahr,
dass unser Blick auf Gottes Schöpfung,
auf Gottes Liebe zu uns
als seine Geschöpfe,
durch diese Gebote
und Weisungen verstellt wird.
Sie mögen erforderlich sein,
„weil wir unser Herz
gegen Gott verschlossen haben“.
Doch wenn wir es öffnen –
oder besser gesagt –
es mit Gottes Hilfe geöffnet wird,
können wir auf einschränkende Gebote
und Weisungen verzichten.
Wir sind dann getragen
und bewahrt durch die Liebe Gottes,
die in Jesus Christus
unter uns neu lebendig geworden ist.
    Dass Sie etwas von dieser Liebe Gottes,
die in seiner gesamten Schöpfung
lebt und wirkt,
sehen, hören und spüren können,
wünsche ich Ihnen für heute
und für alle kommenden Tage.

Ihr Jürgen-Peter Lesch

 
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