St. Vincenz zu Altenhagen I

Archiv

Andacht für die Woche vom 21.5. bis 27.5.2023

20.05.2023

Andacht für die Woche
vom 21.5. bis 27.5.2023
über das Evangelium
des Sonntags Exaudi (21.5.2023) 
Verfasser:
Superintendent in Ruhe Wilhelm Niedernolte
(Eldagsen)

Liebe Leserin, lieber Leser,
Sie sind es gewohnt, an dieser Stelle
das Evangelium des kommenden Sonntags
zu lesen und ausgelegt zu bekommen.
Da dies ein Text
aus dem Johannesevangelium ist,
von dem wir in der Vergangenheit
bereits häufig gelesen haben,
weichen wir in dieser Woche
auf eine Geschichte
aus dem Alten Testament aus.
Diese Geschichte geht so:

Vor ca. 3000 Jahren lebte
im Gebirge Ephraim
ein Mann Namens Elkana,
der hatte 2 Frauen,
Peninna und Hanna.
Peninna hatte Kinder, Hanna nicht.
Hanna litt sehr unter
ihrer ungewollten Kinderlosigkeit,
Peninna machte ihr das Leben schwer,
wo sie nur konnte.
Und obwohl ihr Mann
ihr immer wieder beteuerte,
dass es ihm nichts ausmachte,
zerbrach Hanna fast unter dieser Last.
In Silo stand seit Josua die Stifshütte
und hier war auch der Mittelpunkt
des israelitischen Gottesdienstes
zu der Zeit.
Dort fanden alle religiösen Feste
(Pfingsten, Passah, Laubhüttenfest) statt.
Und in dieser Stiftshütte
war Eli damals Priester.
In Silo opferte auch
die Familie Elkanas jedes Jahr,
wie Gott es seinem Volk geboten hatte.
Hanna nahm dieses Ereignis
jedes Mal sehr mit.
Sie betete zu Gott
und gab ihm ein Versprechen:
Eli, der Priester,
bekam Wind von der Sache
und versprach Hanna,
dass Gott sich ihrer Sache
annehmen würde.
Und tatsächlich—
Hanna bekam einen Sohn
und nannte ihn Samuel:
Von Gott erbeten.
Und als Hanna Samuel nicht mehr stillte,
oder, wie es in der Bibel steht,
als sie ihn entwöhnt hatte,
brachte sie ihn nach Silo zu Eli,
dem Priester, damit Samuel
in der Stiftshütte Gott diente
wie es Hanna in ihrem Gelübde
Gott versprochen hatte.
Und dann passierte das, was wir
im 3. Kapitel des 1. Samuelbuches
lesen:

Und zu der Zeit,
als der Knabe Samuel
dem Herrn diente unter Eli,
war des Herrn Wort selten,
und es gab kaum noch Offenbarung.
Und es begab sich zur selben Zeit,
dass Eli lag an seinem Ort,
und seine Augen fingen an,
schwach zu werden,
sodass er nicht mehr sehen konnte.
Die Lampe Gottes
war noch nicht verloschen.
Und Samuel hatte sich gelegt
im Tempel des Herrn,
wo die Lade Gottes war.
Und der Herr rief Samuel.
Er aber antwortete:
Siehe, hier bin ich!,
und lief zu Eli und sprach:
Siehe, hier bin ich!
Du hast mich gerufen.
Er aber sprach:
Ich habe nicht gerufen;
geh wieder hin
und lege dich schlafen.
Und er ging hin
und legte sich schlafen.
Der Herr rief abermals: Samuel!
Und Samuel stand auf
und ging zu Eli und sprach:
Siehe, hier bin ich!
Du hast mich gerufen.
Er aber sprach:
Ich habe nicht gerufen, mein Sohn;
geh wieder hin
und lege dich schlafen.
Aber Samuel kannte
den Herrn noch nicht,
und des Herrn Wort
war ihm noch nicht offenbart.
Und der Herr rief Samuel wieder,
zum dritten Mal.
Und er stand auf und ging zu Eli
und sprach: Siehe, hier bin ich!
Du hast mich gerufen.
Da merkte Eli,
dass der Herr den Knaben rief.
Und Eli sprach zu Samuel:
Geh wieder hin
und lege dich schlafen;
und wenn du gerufen wirst,
so sprich: Rede, Herr,
denn dein Knecht hört.
Samuel ging hin
und legte sich an seinen Ort.
Da kam der Herr
und trat herzu
und rief wie vorher:
Samuel, Samuel!
Und Samuel sprach:
Rede, denn dein Knecht hört.

Liebe Gemeinde,
die Geschichte beginnt mit den Worten:
Und zu der Zeit,
als der Samuel
dem Herrn diente unter Eli,
war des Herrn Wort selten
und es gab
kaum noch Offenbarung.

Gottes Wort war selten.
Warum war es selten?
Redete Gott nicht mehr
 mit seinem Volk?
Wollte das Volk
Gottes Wort nicht hören,
weil es mit anderen Dingen
beschäftigt war?
Wie ist es bei uns heute?
Ist Gottes Wort
selten unter uns?
Keineswegs! Jeden Sonntag
und an allen Feiertagen
gibt es Gottesdienste
in fast jeder Gemeinde,
wo Menschen den Zuspruch
und den Anspruch Gottes hören können,
das, was Gott ihnen geben will
und was er von ihnen erwartet.
Dreimal am Tag läuten
die Glocken vom Kirchturm:
Morgens um 8 Uhr,
mittags um 12 Uhr,
abends um 18 Uhr,
eine Gelegenheit,
um inne zu halten,
den Tagesablauf zu unterbrechen,
und eine akustische Erinnerung daran,
dass wir nicht die Herren der Welt
und Herren der Zeit sind,
sondern der,
der Welt und Zeit geschaffen hat.
Gottes Wort
ist nicht selten unter uns.
Von Montag bis Freitag
gibt es beim NDR Radio Niedersachsen
um 9.45 eine Morgenandacht.
In unserer Neuen Deisterzeitung
können wir an jedem Samstag
einen geistlichen Impuls lesen,
den ein Ehepaar im Wechsel verfasst.
Also Gottes Wort ist nicht selten bei uns.
Man mag darüber klagen,
dass zu wenige Menschen
den Gottesdienst besuchen,
zu wenige Radiohörer /innen
die Morgenandacht hören,
aber das Angebot des Wortes Gottes
ist durchaus vorhanden,
sein Anspruch und Zuspruch
an uns kann auf vielfältige Weise
gehört werden.
    Das war offensichtlich
zur Zeit des Hohepriesters Eli
und des Knaben Samuel selten.
Immerhin lesen wir auch:
Die Lampe Gottes
war noch nicht verloschen.

Gemeint war damit
zunächst der siebenarmige Leuchter,
der die ganze Nacht hindurch brannte.
Gemeint ist damit aber auch,
dass der Glaube an Gott
noch nicht völlig erloschen war,
sondern dass es immer
noch ein kleines Flämmchen gab. 
Ist das unsere Situation heute?
Die Kirche, die darauf wartet,
dass Gott eine große Erweckung schenkt,
die alle Menschen erleuchtet,
die Frieden und Wohlstand
für alle Menschen bringt
und eine gerechte
Weltwirtschaftsordnung?
    Gott war allerdings
mit diesem Zustand in seinem Volk
nicht zufrieden,
denn er hatte Großes
mit seinem Volk vor.
Sie sollten dauerhaft
in ihrem gelobten Land leben,
im Frieden und im Wohlstand,
im Vertrauen auf
und im Gehorsam gegen Gott.
Und Samuel sollte die ersten Schritte
auf diesem Weg einleiten.
Aber dazu musste Gott
mit Samuel erst einmal
in Kontakt kommen, ihn für die
ihm zugedachte Aufgabe berufen.
Es folgt der dreimalige Ruf Gottes
an Samuel, der den zunächst
für den Ruf  Elis hält,
bis Eli ihn auf die richtige Spur setzt,
dass nämlich Gott selbst am Werk ist.
Darum soll er sagen:
Rede, Herr, denn dein Knecht hört.
    Manchmal redet Gott zu uns Menschen
durch unser Gewissen.
Andere hören Gott und spüren seine Nähe,
wenn sie in der Natur sind.
Manchmal hören sie auch Gott,
wenn sie mit geliebten Menschen
zusammen sind,
oder wenn sie Musik hören
oder wenn sie einen Gottesdienst feiern
oder in einem kleinen Erlebnis im Alltag. 
Wie auch immer –
wichtig ist in jedem Fall ihre Antwort:
Rede, Herr, denn dein Knecht hört.
    Wir Christen hören Gottes Wort
durch Jesus Christus.
Durch ihn hat Gott
zu uns Menschen gesprochen.
Gott hat durch ihn geredet.
Nun ist es an uns,
auf sein Wort zu hören.
Unsere verlässlichste und verbindlichste Quelle
für das Wort Gottes ist die Bibel.
Ist die Bibel Gottes Wort? Ja und nein.
Genauer muss man sagen:
Die Bibel enthält Gottes Wort.
Menschen haben mündlich
und schriftlich festgehalten,
wie und was Gott zu ihnen geredet hat.
Die Bibel ist Gottes Wort im Menschenwort.
Die Worte der Menschen
in damaliger Zeit erscheinen uns
manchmal befremdlich
und für unsere heutigen Ohren
nicht akzeptabel.
Aber Gott, der die Menschen
auch heute ansprechen will,
kommt doch darin zu Wort.
Die Kunst ist, Gottes Wort
von Menschenworten
zu unterscheiden.
Unser Glaube fordert nicht,
dass wir auch die unwahrscheinlichsten Dinge
für wahrscheinlich halten.
Sondern unser Glaube bedeutet,
dass wir auf Gottes Stimme hören,
auch und gerade in der Geräuschkulisse,
die uns ständig umgibt.
Darum beten auch wir wie Samuel:
Rede, Herr, denn dein Knecht hört.
Amen

Bleiben Sie behütet
Ihr Wilhelm Niedernolte

 
Powered by CMSimpleRealBlog
nach oben