St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 21.1.2024 bis 27.1.2024

21.01.2024

Andacht für den 3. Sonntag nach Epiphanias
und die neue Woche vom 21.1.2024 bis 27.1.2024
über das Evangelium aus Matthäus 8,5-13
„Der Hauptmann von Kapernaum

Verfasser:
Superintendent in Ruhe Wilhelm Niedernolte
(Eldagsen)
    

Liebe Leserin, lieber Leser,

Mit dieser Geschichte des Hauptmann von Kapernaum
beschreibt der Evangelist Matthäus
das Verhältnis Gottes zu seinem Volk Israel.
Das Volk Israel ist Gottes erwähltes Volk
und bleibt Gottes erwähltes Volk.
Allerdings hat es sich geweigert,
das Erbe Gottes anzutreten, Jesus von Nazareth
als den Messias Gottes anzuerkennen.
Darum hat Gott den Kreis seiner Erben
erweitert zu einer Erbengemeinschaft.
Die Christen sind als Erwählte Gottes
zum Volk Israel hinzugekommen.
Das ging zuerst auch ganz gut,
die Christen versammelten sich mancherorts
sogar in den Synagogen der Juden,
aber im Laufe der Zeit kam es zu Spannungen,
die immer größer wurden.
Wir kennen die belastete Geschichte
zwischen Christen und Juden –
bis in die jüngste Vergangenheit.

Den Beginn dieser Erweiterung
der Erbengemeinschaft
beschreibt die Geschichte,
die wir unter der Überschrift kennen:
Der Hauptmann von Kapernaum.
Da kommt ein Offizier

der römischen Besatzungsmacht zu Jesus,
was an sich schon sehr ungewöhnlich
bis anstößig war.
Juden verkehrten damals nicht mit Heiden,
schon gar nicht mit diesen feindlichen Heiden.
Der Hauptmann war wahrscheinlich
ein römischer Zenturio,
wie wir ihn aus den Geschichten
von Asterix und Obelix kennen.
Ein Zenturio ist, wie der Name schon sagt,
ein Befehlshaber über etwa hundert Soldaten.
Der kommt zu Jesus,
dem jüdischen Wunderheiler,
von dem er schon so viel Gutes gehört hat,
schildert ihm sein Problem
und macht auch gleich einen Lösungsvorschlag.
Und Jesus wendet sich ihm zu,
so als sei er jemand
aus seinem eigenen erwählten Volk
und kein Fremder oder gar ein Feind.

    Welches Problem hat der römische Zenturio
nun mitgebracht?
Herr, mein Knecht liegt zu Hause
und ist gelähmt 
und leidet große Qualen
, sagt er. 
Durch diese Worte erfahren wir
einiges über den Glauben des Hauptmanns.
Er redet Jesus mit „Herr“ an,
und das ist nicht so
wie Herr Meier von nebenan,
sondern er sagt zu Jesus „Kyrios“,
und das ist das Kyrios,
mit dem die Christen Jesus
als den Herrn der Welt anreden.
Der heidnische Offizier bekennt Jesus
als den Herrn der Welt
und nicht seinen Cäsar in Rom,
wie es üblich gewesen wäre.
Das ist schon überraschend,
und auch Jesus ist überrascht,
wenn er sagt: Also ehrlich,
soviel Glauben wie bei diesem Heiden
habe ich bei keinem Menschen
in Israel gefunden.

Und das andere, was wir erfahren,
ist etwas über das Verhältnis des Hauptmanns
zu seinem Knecht.
Der Evangelist Johannes
spricht an dieser Stelle von seinem Kind.
Beides ist richtig übersetzt:
Knecht oder Kind.
Gemeint ist wahrscheinlich sein Bursche,
ein Offizier hat einen Burschen,
einen persönlichen Gehilfen.
Und dem will er helfen, dessen Qualen,
welche Qualen auch immer
das gewesen sein mögen,
rühren ihn an. Er leidet mit.
Heute spricht man gern
von der Fürsorgepflicht eines Vorgesetzten.
Also: Der Hauptmann von Kapernaum
ist ein Mensch mit Gottvertrauen
und ein sensibler Vorgesetzter,
und deswegen ist er
Jesus hochwillkommen,
auch wenn er nicht
zum auserwählten Volk Gottes gehört.

Jesus bietet ihm an, mit ihm zu kommen
und seinen Burschen gesund zu machen.
So macht er es sonst auch.
Er spricht mit den Kranken
oder berührt sie.
Dabei geht es Jesus
nicht nur um die körperlichen Symptome
und Gebrechen, sondern auch
um das Seelenheil der Menschen,
darum spricht er die Kranken
oft auf ihren Glauben an,
auf ihre Gottesbeziehung.
Das aber setzt eine
persönliche Inaugenscheinnahme
der Patienten voraus.
Jesus bietet dem Hauptmann an,
mit ihm zu kommen.
Doch der Hauptmann wehrt bescheiden ab:
Das muss doch nicht sein,
und das geht ja auch nicht,
dass du als Jude
in mein heidnisches Haus kommst.
Sprich nur ein Wort,
so wird mein Bursche gesund.

Er denkt, die Sache
mit Jesus und den Krankheiten
ist genauso wie mit ihm
und seinen Soldaten,
eigentlich ganz einfach.
Wenn er seinen Soldaten befiehlt:
Links um und ohne Tritt Marsch!
Dann fangen seine Soldaten
nicht an zu diskutieren,
sondern dann machen sie
Links um und ohne Tritt Marsch,
einfach deswegen,
weil es sein Befehl ist.
So soll Jesus das auch machen,
meint der Hauptmann.
Er soll einen deutlichen Befehl geben,
und schon ist das Problem erledigt,
ist der Kranke gesund.
Zack! Zack!
Jesus soll die ganze Welt erlösen,
aber zack! Zack!

    Es gibt Menschen,
gerade auch in christlichen Gruppen,
die genau das von Jesus erwarten.
Sprich nur ein Wort,
so wird mein Knecht gesund
,
oder meine Ehefrau, oder mein Sohn,
den die Ärzte von der Krebsstation
nach Hause entlassen haben,
weil er austherapiert ist,
weil die Ärzte nichts mehr
für ihn tun können.
Sprich nur ein Wort, Jesus,
und er wird gesund,
egal, was die Ärzte sagen.

Jesus spricht eben
nicht immer das heilende Wort
wie beim Knecht vom Hauptmann
von Kapernaum, und wir müssen
es ertragen, dass auch Menschen
mit viel Gottvertrauen
an unheilbaren Krankheiten sterben.

Oder sterben Menschen mit Gottvertrauen
anders als Menschen ohne Gottvertrauen?
Es könnte doch auch sein,
dass unser Blick auf unsere Krankheiten
durch Gottvertrauen verändert wird,
sodass wir sehen:
 wir sterben nicht am Herzinfarkt,
am Schlaganfall, an Krebs
oder bei einem Verkehrsunfall,
sondern dann, wenn unsere Zeit
auf dieser Welt beendet ist,
worauf wir wenig Einfluss haben,
und dass dann, wenn unsere Zeit
zu Ende geht, der Tod
in Gestalt einer dieser Krankheiten kommt
oder von Gott geschickt wird,
um uns abzuholen.
Dieser veränderte Blick
auf unsere Krankheiten
macht die Erfahrung unseres Todes
möglicherweise nicht viel leichter,
aber wir müssen wegen der offenen Fragen,
auf die wir keine Antwort bekommen
und die uns so wehtun,
nicht in Panik geraten.
Sprich nur ein Wort, so werde ich gesund.
Und dann fügen wir hinzu:
wenn du dieses Wort nicht sprichst,
warum auch immer,
dann reich mir deine Hand,
damit ich dich auch dann nicht verliere.

    Der Hauptmann von Kapernaum
hat Vertrauen zu Jesus,
und Jesus macht seinen Burschen gesund,
aus der Ferne, mit seinen heilenden Worten.
In dieser Geschichte ist es so,
aber es ist nicht immer und überall so.

    Der Evangelist Matthäus
erzählt diese Heilungsgeschichte
nicht nur wegen der Heilung,
sondern hauptsächlich deswegen,
um uns Christen deutlich zu machen:
Die Erbengemeinschaft Gottes
ist größer als man denkt.
Das Evangelium
und der Glaube an Jesus Christus
breiten sich aus, überschreiten nationale
und kulturelle Grenzen,
entwickeln sich in unvermutete Richtungen.
Wir Christen in Europa
sind nur ein Teil der weltweiten Christenheit,
und manchmal müssen wir feststellen:
die weltweite Christenheit
stellt sich teilweise in ihren Gottesdiensten
und in ihrer Theologie so dar,
dass uns die Haare zu Berge stehen.
Vieles ist uns recht fremd.
Und doch gehören auch sie
zur weltweiten Gemeinde der Christen.
Ich vermute, wir werden uns noch wundern,
wer da alles aus Osten und Westen kommen
und mit Abraham und Isaak und Jakob
im Himmelreich zu Tische sitzen wird,
wie Jesus sagt.
Und wenn wir dann
ausgiebig gestaunt haben
werden über die Vielfalt,
werden wir glücklich sein,
wenn auch für uns
ein Platz an diesem Tisch sein wird.

 

Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit

Ihr Wilhelm Niedernolte

 
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