St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 15. bis 21. Januar 2023

14.01.2023

Andacht für die Woche
vom 15. bis 21. Januar 2023
zum Wochenlied
„In dir ist Freude“ (EG 398)
von Pfr. i.R. Jürgen-Peter Lesch


Vom fröhlichen Leben und zuversichtlichen Sterben

Liebe Leserin, lieber Leser,
„In dir ist Freude in allem Leide,
o du süßer Jesu Christ“ –
wird dieses Lied im Gottesdienst angestimmt,
bin ich hin und hergerissen.
Da möchte ich aufspringen, hüpfen und tanzen.
Oft ärgere ich mich,
dass die Gemeinde mit ihrem langsamen
und getragenen Gesang
allen Schwung aus der Melodie nimmt.
Das hört sich dann
nicht mehr nach einem Tanzlied an,
sondern nach einem Pilgerlied,
das eine müde Schar auf ihrem langen Weg
im Rhythmus ihrer langsamen Schritte singt.
   Doch die Langsamkeit
hat ja auch ihre Berechtigung.
Denn in die Freude
mischt sich schon das Leid.
Offenbar ist das Eine
nicht ohne das Andere zu haben.
Das nimmt die Freude am Tanzen,
und ich finde mich still
auf meinem Stuhl sitzend wieder.
Also was soll es sein:
Ein Tanzlied oder ein Pilgerlied?
    Der Reihe nach:
Tatsächlich ist die Melodie
des italienischen Komponisten
Giovanni Giacomo Gastoldi
ein Tanzlied, ein „Balletto“.
Der ursprüngliche Titel des Liedes
„A lieta vita amor c’invita“
stammt aus dem Jahr 1591.
Übersetzt lautet die erste Strophe
etwa so:
Zu fröhlichem Leben lädt Amor uns ein.
Wer sich nach Freude sehnt,
wenn er von Herzen liebt,
wird sein Herz geben
einem solchen Herrn.

Es war der Thüringer Pfarrer
Cyriacus Schneegaß, der 1598
dem Liebeslied einen geistlichen Text gab.
Statt um Amor, den leichtfüßigen
und unberechenbaren Gott der Liebe,
geht es jetzt um Jesus Christus,
den beständig liebenden Gott.
Der Charakter des Liedes
hat sich jedoch nicht grundlegend verändert.
Noch immer steht die Freude am Anfang.
Dazu kommen jetzt Zuversicht
und Vertrauen auf Gott.
In dir ist Freude in allem Leide,
o du süßer Jesu Christ!
Durch dich wir haben
himmlische Gaben,
du der wahre Heiland bist;
hilfest von Schanden,
rettest von Banden.
Wer dir vertrauet,
hat wohl gebauet,
wird ewig bleiben. Halleluja.
Zu deiner Güte
steht unser G’müte,
an dir wir kleben
im Tod und Leben;
nichts kann uns scheiden.
Halleluja.
    Im Lied findet sich
eine Fülle von Bibelstellen,
die von Freude und Trost handeln.
Der Anfang spielt
auf den letzten Vers von Psalm 73 an:
„Das ist meine Freude,
dass ich mich zu Gott halte“.
Und die etwas merkwürdige Formulierung
„an dir wir kleben im Tod und Leben“
übernimmt Gedanken
aus dem Römerbrief Kap 8 (Vers 38f).
Dort schreibt Paulus:
„Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben …
weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges …
uns scheiden kann von der Liebe Gottes,
die in Christus Jesus ist, unserm Herrn“.
Im Zentrum der ersten Strophe
steht die Freude über Jesus Christus,
der der wahre Heiland ist.
Er ist die wahre Hilfe
gegen all das, was uns erniedrigen,
begrenzen und am Leben hindern will.
Er ist der Grund,
auf dem wir unser Leben aufbauen können.
    Das Bekenntnis zu Jesus
als Grund und Hoffnung unseres Lebens
wird in der zweiten Strophe noch deutlicher:
Wenn wir dich haben,
kann uns nicht schaden
Teufel, Welt, Sünd oder Tod;
du hast’s in Händen,
kannst alles wenden,
wie nur heißen mag die Not.
Am Ende stehen der große Lobpreis,
der Jubel und der Triumph:
Drum wir dich ehren,
dein Lob vermehren
mit hellem Schalle,
freuen uns alle
zu dieser Stunde.
Halleluja.
Wir jubilieren und triumphieren,
lieben und loben
dein Macht dort droben
mit Herz und Munde.
Halleluja.
    Diese Zeilen singe ich gerne und laut mit.
Doch dann werde ich wieder nachdenklich.
Ist das nicht zu dick aufgetragen?
Bin ich wirklich so voller Freude
und Zuversicht?
Und lade ich selbst,
laden wir als christliche Gemeinde hier vor Ort,
als evangelische Kirche in unserem Land
und als Christen weltweit
mit unserem Reden, unserem Tun
und Lassen wirklich ein
zu Freude und Zuversicht?
Und was heißt das für mich, für uns:
„an dir wir kleben im Tod und Leben“?
    Wer den Boden unter den Füßen verliert,
der hängt buchstäblich in der Luft
und wird orientierungslos.
Wer dem Tod begegnet,
der kann nur schreien oder verstummen.
Nichts auf der Welt macht einsamer
als die Todesbegegnung.
Wer mit tückischen Krankheiten zu kämpfen hat,
der fragt: Wo nehme ich die Kraft zum Leben her?
Die Freude und der Jubel
passen so wenig zu unseren alltäglichen Erfahrungen.
Doch genau diese Erfahrungen
sind in das Lied mit hineingenommen.
Dahinter steht der Gedanke,
der sich in der Zeit des 30-jährigen Krieges
weit verbreitete:
Richtig leben kann nur der,
der den Tod nicht verdrängt,
sondern ihn ins Leben einbezieht.
Das ist möglich, wenn Menschen
den Tod von Jesus Christus
als ein Geschehen verstehen,
dass ihnen die Angst vor dem Tod
und allen zerstörerischen Mächten
nehmen kann und nehmen soll.
Das ist der entscheidende Unterschied
zwischen dem ursprünglichen Text
und dem Text von Cyriacus Schneegaß:
Das erste Lied lädt zu Liebe
und fröhlichem Leben ein.
Das Zweite öffnet
durch die Liebe von Jesus
den Weg zu fröhlichem Leben
und zuversichtlichen Sterben.
    Das Lied „In dir ist Freude“
ist und bleibt ein Tanzlied.
Doch hier tanzen nicht einfach
Menschen auf der Straße
(oder in der Kirche).
Hier tanzen Menschen Tod und Teufel
auf der Nase herum.
Weil „Teufel, Welt, Sünd oder Tod“
durch Jesus Christus
ihre Macht verloren haben.
Weil sie durch den Tod
von Jesus Christus am Kreuz
und durch seine Auferstehung
nicht mehr das letzte Wort haben,
sondern nur noch das Nachsehen.
Uns bleibt dagegen:
„Wir jubilieren und triumphieren,
lieben und loben
dein Macht dort droben
mit Herz und Munde.
Halleluja.“

Ich wünsche Ihnen,
dass Sie immer wieder neu
mit Zuversicht auf Ihr
und unser aller Leben schauen können.
Ihr Jürgen Peter Lesch

 




Der Komponist der Melodie,
Giovanni Giacomo Gastoldi,
wurde wohl im Jahr 1553
in Caravaggio/Lombardei geboren
und starb 1609 oder 1622.
Er soll als Chorknabe
an der Basilika Santa Barbara
eine musikalische Ausbildung erhalten
und danach Theologie studiert haben.
Anschließend wirkte er unter anderem
als Kapellmeister
der herzoglichen Kapelle
von Santa Barbara in Mantua.
Gastoldi ist hauptsächlich
durch seine Balletti (eine Art Tanzlied)
bekannt geworden,
die zu den bekanntesten Kompositionen
des späten 16.
und des frühen 17. Jahrhunderts gehören.

Der Textdichter
Cyriacus Schneegaß
wurde am 5. Oktober 1546 in Bufleben,
nördlich von Gotha, geboren
und starb am 23. Oktober 1597
in Friedrichroda.
Er besuchte die Landesschule in Gotha,
deren Direktor Cyriacus Lindemann war,
der später sein Schwiegervater wurde.
Schneegaß studierte Theologie
an der Universität Jena
und wurde Pastor in Tambach
und später in Friedrichroda.
Neben seiner Tätigkeit als Gemeindepastor
wirkte er als Liederdichter,
Komponist und Musikschriftsteller.
Er gab vier Liedersammlungen heraus,
die u.a. Psalmlieder sowie Weihnachts-
und Neujahrsmotetten enthielten.

 
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