St. Vincenz zu Altenhagen I

Archiv

Andacht für die Woche vom 15. August bis 21.August 2021

23.08.2021

Andacht für die Woche vom 15. August bis 21.August 2021
über den Wochenpsalm des 11. Sonntags nach Trinitatis
Psalm 145
Verfasser: Pfarrer in Ruhe Jürgen-Peter Lesch
(
Springe – früher Pfarrer der EKD in Hannover)

Ein Lobgesang von König David.
Hoch über alles will ich dich loben, mein Gott und König!
Ich will deinen Namen preisen für immer und alle Zeit. 
Jeden Tag will ich dich preisen!
Ich  will deinen Namen rühmen für immer und alle Zeit.

Groß ist der Herr und verdient höchstes Lob.
Niemand kann seine Größe erforschen.
Generationen sollen deine Werke rühmen
und deine mächtigen Taten verkünden.
Die Pracht deiner herrlichen Erscheinung,
die Geschichten von deinen Wundern –
auch ich will darüber nachdenken.
Von deinen gewaltigen Taten
sollen sie reden
und von deinen großartigen Werken –
auch ich will davon erzählen.
An deine unendliche Güte sollen sie erinnern.
Jubeln sollen sie über deine Gerechtigkeit:
„Reich an Gnade und Barmherzigkeit ist der Herr,
unendlich geduldig und groß in seiner Güte.“
Der Herr ist gut zu allen Menschen.
Sein Mitleid gilt allen seinen Geschöpfen.
Herr, alle deine Geschöpfe sollen dich loben,
und deine Frommen sollen dich preisen.
Von deinem herrlichen Königreich sollen sie reden
und von deinen mächtigen Taten sprechen.
So erfahren die Menschen von Gottes Taten,
von der Pracht seines herrlichen Königreichs.
Dein Königreich besteht für alle Zeit,
deine Herrschaft von Generation zu Generation.
Der Herr ist zuverlässig in allem,
was er sagt.
Und er ist gütig in allem, was er tut.
Der Herr stützt alle, die fallen,
und richtet alle auf, die niedergeschlagen sind.
Mensch und Tier halten Ausschau nach dir.
Du gibst ihnen Nahrung zur richtigen Zeit.
Du öffnest deine wohltuende Hand,
und alles, was lebt, wird davon satt.
Der Herr ist gerecht in allem, was er tut.
Er ist gütig in allem, was er unternimmt.
Der Herr ist allen nahe, die zu ihm rufen –
all denen, die aufrichtig zu ihm rufen.
Er erfüllt die Bitten der Menschen,
die ihm mit Ehrfurcht begegnen.
Er hört ihr Schreien und hilft ihnen.
Der Herr behütet alle, die ihn lieben.
Doch alle Frevler vernichtet er.
Mein Mund soll das Lob des Herrn verkünden.
Alle sollen seinen heiligen Namen preisen
für immer und alle Zeit.
(Psalm 145 in der Übersetzung der BasisBibel)

In wenigen Wochen ist Bundestagswahl
und es wäre wohl an der Zeit,
sich mit den Wahlprogrammen
zumindest jener Parteien auseinanderzusetzen,
die möglicherweise an der nächsten Bundesregierung
beteiligt sein werden.
Doch wer macht sich schon die Mühe,
die vielen Hundert Seiten zu lesen,
die zusammengestellt worden sind.
Um all das zu lesen und zu verstehen,
braucht es nicht nur Zeit,
sondern auch Geduld
und manchmal etwas Gelassenheit.
Außerdem ist bei der Lektüre zu bedenken,
dass Wahlprogramme
eben noch keine Regierungsprogramme sind,
sondern lediglich Absichtserklärungen.
Das endgültige Regierungsprogramm
wird erst nach der Wahl
in den Koalitionsverhandlungen ausgehandelt. ‚
Es wird sich also
von den vorliegenden Wahlprogrammen unterscheiden.
Das alles ermutigt nicht zur ausführlichen Lektüre.

    
Eine Art Regierungsprogramm wird –
bei näherem Hinsehen –
im Psalm 145 vorgestellt.
Es ist der letzte Psalm,
bei dem König David als Verfasser genannt ist.
Dieses Loblied ist also so etwas wie der Abschluss
und die Zusammenfassung der David-Psalmen.
Es umfasst lediglich 21 Verse bzw. 22 Zeilen.
Die Buchstaben am Beginn jeder Zeile
folgen dem hebräischen Alphabet,
das 22 Buchstaben umfasst:
vom Buchstaben Alef bis zum Buchstaben Tav.
Im Griechischen würde man sagen:
von Alpha bis Omega,
und im Deutschen: von A bis Z.
Von Anfang bis zum Ende -
das bedeutet,
dass in diesem Psalm
alles Wichtige zusammengefasst ist.
    
In seinem Loblied
stellt der Verfasser
im Grunde so etwas
wie Gottes Regierungsprogramm vor.
Der mächtigste König über Israel und Juda,
David, stellt das Königreich dar,
in dem Gott als König herrscht.
David selbst lobt diesen König
und fordert alle anderen Menschen,
ja, die gesamte Schöpfung dazu auf,
in dieses Lob einzustimmen.
Das ist kein Lob um des Lobes willen,
sondern es wird klar gesagt,
warum Gott zu loben ist.
Das beginnt mit großen Worten.
Zunächst ist wenig konkret,
was sich hinter den mächtigen Taten,
den Wundern
und großartigen Werken Gottes verbirgt.
Doch dann wird es immer konkreter.
Güte und Gerechtigkeit
sind wie Gnade und Barmherzigkeit
die Basis der Herrschaft Gottes.
Luther übersetzt hier:
„Gnädig und barmherzig ist der Herr,
geduldig und von großer Güte.“

    
Es wird konkret
und es wird sehr menschlich:
Gottes Mitleid gilt allen seinen Geschöpfen.
Mir fällt bei diesen Worten auf,
wie viel in den Berichten über die Katastrophen
in den letzten Tagen vom Leid der Menschen
und ihren Verlusten die Rede ist.
Dass Tiere und Pflanzen
auch in Mitleidenschaft gezogen sind,
verlieren wir
angesichts der Größe des entsetzlichen Geschehens
oft aus den Augen.
    
Einige Zeilen weiter
wird es wieder sehr konkret: ‚
Gott stützt alle, die fallen,
und richtet alle auf,
die niedergeschlagen sind.
Dabei meint „niedergeschlagen“
nicht nur eine Empfindung,
sondern tatsächlich Menschen,
die von anderen gebeugt
und niedergeschlagen,
 ja zerschlagen werden.
     Weiter geht es mit sehr realen Problemen:
„Aller Augen warten auf dich,
und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.
Du tust deine Hand auf
und sättigst alles, was lebt,
mit Wohlgefallen.“
übersetzt Luther.
Das ist schlicht Hilfe zum Leben –
besonders für die Schwachen und Gebeugten,
die sich selbst nicht helfen können.
Gott, ein König, gibt das Lebensnotwendige.
Er hört die Schreie und Bitten der Menschen.
Er behütet alle, die ihn lieben.
    
Es ist mutig von König David,
dieses Loblied auf Gott zu singen;
ein Lied,
in dem so viel vom konkreten Handeln Gottes
die Rede ist.
Denn er, König David,
muss und will sich
und sein Handeln daran messen lassen.
Das ist besonders deshalb mutig,
weil David eben keineswegs
ein makelloser König ist.
Er hat Fehler wie jeder andere Mensch auch.
Dennoch sieht David sich in der Pflicht,
Gottes Königtum in seinem Reich zu verwirklichen.
Wir wissen aus den biblischen Büchern der Könige,
dass er damit scheitert.
Sein Sohn Salomo
kann das Land noch zusammenhalten.
Er baut sogar den Tempel aus
und für sich selbst einen prächtigen Palast.
Doch dann zerfällt das Reich
in die Länder Israel und Juda.

     Was vom Loblied Davids an
und für seinen Gott und König dennoch bleibt,
ist das Vertrauen
in die allumfassende Fürsorge Gottes
für seine Schöpfung.
Sie gilt nicht nur allen Menschen,
sondern überdies allen Geschöpfen.
Immer wieder ist im Psalm
von „allen“ die Rede.
Gott wendet sich allen zu;
es gibt keinen Unterschied
zwischen dem Volk Gottes
und den anderen Völkern.
Es gibt für Gott kein „wir hier“
und „die da“.
Wer Hilfe braucht, soll sie bekommen.
Wer unterdrückt wird,
soll befreit werden.
Wer hungrig und durstig ist,
soll satt werden.
Gerechtigkeit und Güte sollen die Basis
für das menschliche Zusammenleben sein.
Gott hat ein offenes Ohr für alle,
die zu ihm rufen.
Doch es gibt auch Grenzen.
Frevlern droht die Vernichtung.
Der Frevler ist der Gegenpart zum Gerechten.
Er bedroht
und schädigt mit seinen schlechten Gedanken,
Worten und Taten die Gemeinschaft.
Er verletzt das Fundament,
auf dem das Zusammenleben beruht:
die Gerechtigkeit.
     Dieses Loblied des Königs David
scheint zeitlich und räumlich weit entfernt zu sein.
Doch durch die Taufe
gehören Christinnen und Christen
zum Volk des Gottes,
der im Psalm 145 gelobt und gepriesen wird.
So sind die Maßstäbe,
die David dort
in seinem Regierungshandeln verwirklichen will,
heute nicht nur ein flüchtiges Hinsehen,
sondern auch ein Nach-Denken wert. ‚
Es mag sein,
dass die Rede
vom fürsorglichen, gütigen und gerechten Gott
vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Katastrophen
abgehoben klingt.
Was ist mit denen,
die auf seine Hilfe vertraut haben
und sich dann alleingelassen fühlten?
Was ist, wenn ein lieber und vertrauter Mensch
in jungen Jahren stirbt?
Was ist mit den Verletzten, den Verzweifelten,
den Geknickten und den Enttäuschten,
den chronisch Kranken, den Sterbenden?
Kann ich da noch
von einem freundlichen und gütigen Gott sprechen?
     In der Bibel
wie in den Erfahrungen von Menschen in ihrem Glauben
gibt es Antworten auf diese Fragen.
Sie weisen darauf hin, ‚
dass Gott auch ein mitleidiger
und mitleidender Gott ist. ‚
Gott leidet mit denen, die leiden.
Er ist an der Seite der Verzweifelten.
Gott steht nicht über den Dingen,
sondern ist mitten unter uns.
Der freundliche und gütige Gott
ist zugleich ein leidender und trauernder Gott,
der Not und Elend nicht nur sieht,
sondern miterlebt und mit erleidet.
     Mir ist dabei der Vers 20 aus dem Psalm 68
sehr wichtig geworden.
Er lautet in der Übersetzung Martin Luthers:
„Gelobt sei der Herr täglich.
Gott legt uns eine Last auf,
aber er hilft uns auch“
.
Dieses Wort ist bekannt
und für viele Menschen in schweren Zeiten
ein Trost und eine Hilfe geworden.
Wenn der hebräische Text genauer übersetzt wird,
lautet der Vers:
„Gelobt sei der Herr täglich;
Gott, der unsere Last trägt,
der uns hilft“
.
Für mich
ist allerdings eine frühe Übersetzung Luthers
in seiner Auslegung des 68. Psalms
besonders wichtig.
Luther übersetzt dort:
 „Gebenedeit [geheiligt] sei Gott alle Tage,
der sich mit uns beladet.
Dies ist ein Gott unserer Seligkeit [Heils]“
.
Das ist ein tröstliches
und zugleich mutmachendes Bild:
Gott lädt sich selbst
uns Menschen mit unseren Lasten auf.
Er trägt alles zusammen.
     Gott lässt nicht zu,
dass uns gegen seinen Willen
Lasten aufgelegt werden.
Er verhindert es zwar nicht,
denn dann wären wir im Paradies.
Aber er lässt uns damit nicht allein. ‚
Gott hilft uns, diese Lasten zu tragen,
indem er sich uns selbst zusammen
mit diesen Lasten auflädt.
Gott trägt uns mit unserer Last.
Wir fallen nicht ins Bodenlose.
Das ist die Zusage Gottes,
der auch dann,
wenn wir Trauer tragen oder Leid erleben,
ein freundlicher Gott ist,
dessen Güte und Gerechtigkeit kein Ende hat.
Amen.

 
Powered by CMSimpleRealBlog
nach oben