St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 13. August bis zum 19.August 2023

14.08.2023

Andacht für die Woche
vom 13. August bis zum 19.August 2023
über das Evangelium
vom 10. Sonntag nach Trinitatis
Verfasser:
Superintendent in Ruhe
Jürgen Flohr (Springe – früher Syke)


Markus 12, 28-34

Einer der Schriftgelehrten,
der ihnen zugehört hatte,
wie sie miteinander stritten, trat zu Jesus.
Als er sah, dass er
ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn:

Welches ist das höchste Gebot von allen?
Jesus antwortete:
Das höchste Gebot ist das:                          

 „Höre, Israel, der Herr, unser Gott,
ist der Herr allein,

und du sollst den Herren, deinen Gott,
lieben von ganzem Herzen,
von ganzer Seele, von ganzem Gemüt

und mit all deiner Kraft.“

Das andere ist dies:
„Du sollst deinen Nächsten lieben
wie dich selbst“

Es ist kein anderes Gebot
größer als diese.

Und der Schriftgelehrte
sprach zu ihm:

Ja, Meister, du hast recht geredet!
Er ist einer,
und ist kein anderer außer ihm;

und ihn lieben von ganzem Herzen,
von ganzem Gemüt und mit aller Kraft,
und seinen Nächsten lieben
wie sich selbst,
das ist mehr als alle Brandopfer
und Schlachtopfer.

Da Jesus sah, dass er
verständig antwortete,
sprach er zu ihm:
Du bist nicht fern vom Reich Gottes.

 

Liebe Lesende,

Wir lesen in unserem Abschnitt
aus dem Markus-Evangelium vom Gespräch
eines Schriftgelehrten mit Jesus,
bei dem es um das höchste Gebot geht.
Der jüdische Theologe fragt Jesus danach,
Jesus antwortet mit einer ausführlichen Fassung
des 1. Gebotes und ergänzt dies
durch das Gebot der Nächstenliebe;
sein Gesprächspartner stimmt ihm voll zu,
und Jesus beendet den Dialog,
indem er seinerseits
die gemeinsame Überzeugung bestätigt.
Es herrscht also zwischen beiden
eine große Einigkeit darin,
wie man glauben und leben soll.

    Was aber heißt das nun für uns
und unsere heutige Alltagspraxis?

Der Glaube an Gott, gar die Liebe zu ihm
ist heute vielen Menschen in unserem Lande
fremd geworden. Sie sind gewohnt,
sich nur an das zu halten,
was sie sehen, fühlen, anfassen können.
Glaube, Liebe und Hoffnung
sind vielen von ihnen
zu wenig greifbar und handfest;
daher ist ihnen die Bedeutung und Wirkung
solcher Überzeugungen und Gefühle
 weitgehend abhandengekommen.

     Andererseits wird die Liebe
unter uns Menschen von Schlagern,
Filmen und Büchern in den höchsten Tönen
besungen und beschworen,
obwohl keineswegs alle Männer und Frauen
solche große Liebe erleben
und in ihren Lobpreis einstimmen könnten.
Man denke nur daran,
dass ein Drittel aller Ehen
in Deutschland geschieden werden
und dass auch die Liebe zwischen Geschwistern
manchmal in Gleichgültigkeit oder gar Hass
umschlagen kann.

     Und wie ist es dann erst
mit unserer Liebe zu Gott,
den wir uns kaum vorstellen können
und dessen Wirken wir zumeist
nur mittelbar erleben?

Auch unser Gebet als eine Kontaktaufnahme
mit Gott ist doch zunächst einmal
unser Versuch, den Vater im Himmel zu erreichen;
und die Antwort darauf erfolgt
ebenfalls selten unmittelbar,
sondern ist eben eine Sache unseres Erlebens
und unseres Gefühls.

     Beten ist für die Einen sehr wichtig
und eine große Lebenshilfe;
die Anderen erfahren es so,
als sprächen sie ins Leere;
die Dritten versuchen das Beten
erst gar nicht, weil sie nicht an Gott
glauben können oder wollen.
Wie also steht es unter uns
mit der Liebe zu Gott?
    Und schließlich bleibt da noch
die Frage nach der Nächstenliebe,
der Liebe zum Mitmenschen:
Von ihr würden wohl viele Menschen
hierzulande sagen, dass meine Hilfe
für den Menschen neben mir
schon sehr wichtig und nötig wäre
wie umgekehrt ebenso
seine Hilfsbereitschaft mir gegenüber.
Unser Zusammenleben wäre erheblich leichter
und müheloser, wenn uns allen
die anderen Menschen ebenso wichtig wären
wie wir selbst uns wichtig sind.

Doch so ist es leider keineswegs.
Wir denken eben meist zuerst an uns selbst
und dann vielleicht noch an unsere Familie
und an Freunde; aber danach
hört die Liebe oft auf.
Die Hilfsbedürftigen im Lande
oder gar die in fernen Ländern
sind unseren Herzen eher fern,
oft jedenfalls und trotz aller Spendenbereitschaft, -
oder nicht?
    Wenn ich so eine verbreitete Haltung
zum biblischen Doppelgebot der Liebe
einigermaßen zutreffend beschrieben habe,
 so ist die Bilanz ziemlich ernüchternd;
denn zu vielen von uns
würde Jesus wohl kaum sagen:
„Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“

    Was aber sollen wir dann
nun tun und bedenken?

Vielleicht sollten wir
unserem Vertrauen auf Gott
mehr zutrauen als wir es oft tun,
mag unser Glaube uns nun schwächer
oder stärker vorkommen.
Womöglich ist unser Lebensweg
und seine Ausrichtung stärker
von Gottes Güte bestimmt und getragen
als wir es ahnen oder wahrhaben wollen.
Möglicherweise vertrauen wir
auf Gottes Führung insgeheim mehr
als wir es selber realisieren oder erkennen,
und vielleicht rechnen wir mit Gottes Liebe
und Freundlichkeit doch stärker
als wir es zugeben würden.
Könnte dies alles zutreffen?

Dann sollten wir uns dieses
nicht ganz bewusste Vertrauen
auf den himmlischen Vater selbst eingestehen
und es für unser alltägliches Leben
nutzbar machen. Wir könnten dann
tatsächlich darauf bauen,
dass Gott unseren Weg begleitet
und oft auch leitet, -
dass Er dich und mich liebt
und unsere Mitmenschen auch.

Deshalb sollten wir dann auch versuchen,
diese Nächsten und Fernsten
ebenfalls wahrzunehmen
und ihnen hilfreich zu begegnen,
so gut wir es vermögen.

     Das klingt nun wie ein hoher Anspuch.
Es ist aber auch eine große Chance
auf gegenseitige Hilfsbereitschaft
unter uns Menschen,
seien sie vertraut oder fremd,
nett oder weniger nett.

Lasst uns also versuchen,
als Gottes Kinder und daher untereinander
wie gute Geschwister zu leben, -
so wie Jesus es vorgemacht hat.

 

Jürgen Flohr

 
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