St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 11.Februar bis 17. Februar 2024

10.02.2024

Andacht für den Sonntag Estomihi
am 11.Februar 2024
und für die gesamte Woche
vom 11.Februar bis 17. Februar 2024

Verfasser:
Pfarrer in Ruhe Jürgen-Peter Lesch
(
Springe –
früher Pfarrer der EKD in Hannover)

Was bleibt, stiften die Liebenden“ (Jörg Zink)

Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist soweit:
Der Karneval erreicht
am Rosenmontag seinen Höhepunkt.
Aber am Aschermittwoch ist „alles vorbei“.
Christen feiern am Sonntag „Estomihi“ *
etwas anders:
Ihr Blick richtet sich auf die Passionszeit,
auf das Leiden und Sterben
von Jesus Christus.
Manche und mancher mag meinen,
dass die Zeiten ernst genug sind
und ein weiteres Nachdenken
über Leid und Tod gar nichts bewirkt.
Doch ein Perspektivwechsel
kann nützlich sein.
Der Blick auf Jesu Weg
von Galiläa nach Jerusalem
kann dazu beitragen, unsere Situation,
Fragen und Probleme anders zu sehen.

Die folgende Erzählung
steht im Evangelium nach Markus.
Sie beginnt mit einer Frage.
Jesus ist mit seinen Leuten unterwegs
bei der Stadt Cäsarea Philippi.
Jesus hatte gesagt:
„Wer sagen die Leute, dass ich sei?“
Schließlich hatte Petrus geantwortet:
„Du bist der Christus!“
Für Petrus war jetzt alles gut.
Doch es geht weiter:

Jesus fing an, die Jünger zu lehren:
Der Menschensohn muss viel leiden
und verworfen werden
von den Ältesten und den Hohenpriestern
und den Schriftgelehrten
und getötet werden
und nach drei Tagen auferstehen.
Und er redete das Wort
frei und offen.
Und Petrus nahm ihn beiseite
und fing an, ihm zu wehren.
Er aber wandte sich um,
sah seine Jünger an
und bedrohte Petrus und sprach:
Geh hinter mich, du Satan!
Denn du meinst nicht,
was göttlich, sondern was menschlich ist.

Und er rief zu sich das Volk
samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen:
Will mir jemand nachfolgen,
der verleugne sich selbst
und nehme sein Kreuz auf sich
und folge mir nach.
Denn wer sein Leben behalten will,
der wird’s verlieren;
und wer sein Leben verliert
um meinetwillen
und um des Evangeliums willen,
der wird’s behalten.
Denn was hilft es dem Menschen,
die ganze Welt zu gewinnen
und Schaden zu nehmen an seiner Seele?
Denn was kann der Mensch geben,
womit er seine Seele auslöse?
Wer sich aber meiner
und meiner Worte schämt
unter diesem ehebrecherischen
und sündigen Geschlecht,
dessen wird sich auch
der Menschensohn schämen,
wenn er kommen wird
in der Herrlichkeit seines Vaters
mit den heiligen Engeln.

(Mk 8,31-83 – Lutherbibel 2017)

Eben noch hatte Petrus gesagt:
„Du bist der Christus!“
und nun handelt er sich
die größte denkbare Kritik
von Jesus ein.
Petrus hatte versucht,
mit Jesus unter vier Augen
zu sprechen.
Jetzt wendet der sich weg,
sieht seine Jünger an,
droht Petrus und sagt:
„Geh weg von mir, du Satan!“
Aus dem getreuen Jünger
wird der Widersacher.
Für Petrus bricht eine Welt zusammen.
Für ihn war Jesus der Christus, der Messias.
Ein mächtiger Mann,
der im Auftrag Gottes handelt;
der die Macht und Herrlichkeit des Reiches
von König David wiederherstellt.
Und jetzt sprach „sein“ Christus davon,
dass er getötet werden würde.
Alle Erwartungen, die Petrus in Jesus gesetzt hatte,
zerspringen und hinterlassen
eine große Leere.

Jesus spricht weiter.
Jetzt wendet er sich an „alles Volk“.
Er sagt denen,
die seinen Weg gehen wollen,
um was es geht:
sich selbst verleugnen,
sein Kreuz auf sich nehmen
und ihm nachfolgen.
Er spricht vom Leben behalten,
vom Leben verlieren und Leben gewinnen.
Die Begründung ist eine Frage:
„Denn was hilft es dem Menschen,
die ganze Welt zu gewinnen
und Schaden zu nehmen an seiner Seele?“
Mein erster Gedanke ist:
Sind die, die alles tun,
um ihre eigene Macht zu festigen
und sich alle Menschen
gefügig zu machen,
seelenlose, ja entseelte Menschen?
Verzichten sie auf Gefühle
und Verantwortung, weil beides
ihren Vorhaben und Zielen im Weg steht?
Und nehmen sie uns
dadurch jede Möglichkeit,
mit unserer Trauer
und unserem Schmerz
zu ihnen durchzudringen?

Doch der Satz hat
im Zusammenhang mit dem,
was Jesus sagt, eine andere Bedeutung.
Jesus will die Menschen,
die ihm nachfolgen,
auf das vorbereiten,
was sie erwarten müssen.
Sich selbst verleugnen
und sein Kreuz auf sich nehmen,
das ist kein Selbstzweck.
Jesus macht deutlich,
dass er um all das weiß.
Er weiß um die Bedrohungen für die,
die versuchen, seine Gute Botschaft
als Maßstab zu nehmen.
Die beseelt sind
von der Botschaft der Liebe,
des Verzeihens und der Barmherzigkeit.
Am Ende steht ein Versprechen,
eine Verheißung von Jesus:
„Jeder, der sich zu mir
vor den Menschen bekennt,
zu dem wird sich auch
der Menschensohn
vor den Engeln Gottes bekennen“.
Der Menschensohn kennt
den Weg des Leides,
der Verzweiflung,
des Tötens und Mordens.
All das hat nicht das letzte Wort,
denn Jesus, der Christus,
ist auferstanden.

Der Evangelist Markus
schreibt diese Erzählung,
diese Worte von Jesus nieder
in einer Zeit, als der römische Feldherr
und Kaiser zusammen
mit seinem Sohn Titus
Jerusalem erobert
und den Tempel Jahwes
endgültig zerstört hat.
Markus weiß, dass sie ihre Truppen
um die Stadt Cäsarea Philippi
aufgestellt haben.
Von dort sind sie aufgebrochen,
um gegen die aufständischen Juden
zu kämpfen und sie zu vernichten.
Markus sieht die beiden Gruppen,
die nach Jerusalem hinaufziehen,
vor seinem geistigen Auge:
Da sind Vespasian und Titus
mit dem Trupp von 60.000
schwer bewaffneten Soldaten.
Da ist Jesus mit der Schar
seiner Jüngerinnen und Jünger.
Der große Trupp bringt Leid
und Tod und Vernichtung.
Es bleiben Trümmer
und ein steinerner Titus-Bogen in Rom.
Die andere Gruppe bringt
Hoffnung und Zuversicht,
Mitleid und Liebe.
All das bleibt.
Gar nicht reden müssen wir
von den Tausenden Kirchen
und Gemeindehäusern,
von den Schulen und Krankenhäusern
und Heimen etc.

Die Not der Menschen,
ihre Angst und ihre Sorgen -
Jesus kennt sie.
Er spricht sie offen an.
Es bleibt nichts verborgen,
es wird nichts beschönigt.
Kein Schulterklopfen,
kein „Kopf hoch“.
Stattdessen die Zusage Jesu:
Was du erlebst, berührt mich.
Was du hoffst, sehe ich.
Du bist mit all dem,
was dich bewegt und angeht, nicht allein.
in einer alten Übersetzung
aus Psalm 68 heißt es:
„Gelobt sei Gott alle Tage,
der sich mit uns beladet.
Er ist ein Gott unsers Heils“.
Gott lädt sich uns
mit allen unseren Lasten auf -
welch ein Trost.

Jürgen-Peter Lesch

* Der Sonntag „Estomihi“
ist der letzte der „Vorpassionszeit“
zwischen Weihnachts- und Passionszeit.
Der Name ist lateinisch
und heißt übersetzt „sei mir“.
Es sind Worte
aus der lateinischen Übersetzung
des Wochenpsalms 31:
„Sei mir ein starker Fels
und eine Burg, dass du
mir helfest“.

 
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