St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für den 3. Sonntag im Advent und für die Woche vom 17. Dezember bis zum 23. Dezember 2023

17.12.2023

Andacht für den 3. Sonntag im Advent
und für die Woche vom 17. Dezember
bis zum 23. Dezember 2023
Verfasser:
Pfarrer in Ruhe Jürgen-Peter Lesch
(
Springe –
früher Pfarrer der EKD in Hannover)

„Ein jegliches hat seine Zeit –
ein jegliches braucht seine Zeit“


Liebe Leserin, lieber Leser!
Die Adventszeit ist eine Zeit der Erwartung,
des Wartens, des Geduldhabens.
Doch ich beobachte bei mir,
dass es mir zunehmend schwerer fällt,
Geduld zu haben.
Ich falle immer häufiger
auf die vielen Nachrichten herein,
die gerade jetzt mein E-Mail-Postfach füllen.
Da lese ich z.B. „Ho Ho Ho -
Ihr Paket kommt bald“.
Zehn Minuten später werde ich aufgefordert,
„das Paket live“ zu „verfolgen“.
Als es ankommt, stellt sich heraus:
Das „Paket“ war lediglich
ein DIN-A5 Umschlag
mit Relief-Postkarten.
Viel Wind um sehr wenig.
Gut und gerne kann ich
auf diese Nachrichten verzichten.
   
Das ist nur ein harmloses Beispiel.
Doch es ist ein Beispiel dafür,
wie sehr wir uns daran gewöhnt haben,
dass Wünsche schnell,
sehr schnell erfüllt werden.
Bestelltes muss „postwendend“
geliefert werden.
Und fast immer wird auch
schnell geliefert.
Vielleicht soll uns das
darüber hinwegtrösten,
dass anderes unglaublich lange dauert,
und Veränderungen viel mehr Zeit
brauchen als gedacht.
So ist in der letzten Woche
die 28. UN- Klimakonferenz (COP)
beendet worden.
Doch Weltklimakonferenzen
gibt es seit 1979,
die erste UN-Konferenz hat 1995
in Berlin stattgefunden.
Seit über 50 Jahren wissen wir,
dass das Klima von uns Menschen
beeinflusst wird.
Doch für die erforderlichen Veränderungen
in unserem Verhalten
brauchen wir offenbar Zeit.

Vieles hat sich beschleunigt,
vieles braucht mehr Zeit
als gedacht und gewünscht.
Wir Menschen sind
dazwischen eingespannt.
Wir gewinnen Zeit
und wir verlieren Zeit.
Leider gewinnen wir häufig Zeit
in weniger wichtigen Bereichen
und verlieren dort Zeit,
wo es schneller gehen müsste.
In dieser Situation bieten sich
die Adventswochen
und besonders die Adventssonntage an,
darüber nachzudenken,
wie wir mit Zeitgewinn
und mit Zeitverlust,
mit Ungeduld und Gelassenheit
angemessen umgehen können.
Wir können den Advent nutzen,
zunächst zurückzuschauen
und dann nach vorne zu schauen.
Und im Rückblick manches zu entdecken,
was uns Mut gibt,
neue Hoffnung zu schöpfen.
    In der Weihnachtsgeschichte
schaut Zacharias,
der Vater Johannes des Täufers,
zunächst zurück und dann nach vorn.
Seine Frau Elisabeth
hat ihr gemeinsames Kind
zur Welt gebracht.
Nun geht es darum,
wie es heißen soll.
Verwandte und Nachbarn sind sich einig:
Der Junge soll heißen
wie der Vater: Zacharias.
Doch Elisabeth sagt:
Nein, er soll Johannes heißen.
Also wird der Vater gefragt.
Er ist allerdings stumm
seit dem Augenblick,
in dem ihm der Engel Gabriel
im Tempel erschienen war.
Der Engel hatte ihm und seiner Frau –
beide waren hochbetagt, heißt es –
die Geburt eines Sohnes angekündigt
und gesagt, dieser Sohn
solle Johannes heißen.
Der Name stammt aus dem Hebräischen
und bedeutet: Gott hat sich erbarmt.
    Zacharias kann nicht sprechen;
er schreibt den Namen auf.
Während sich noch
alle wundern und rätseln:
„Was wird aus diesem Kindlein werden?“,
beginnt Zacharias zu sprechen.
Was er sagt,
klingt wie ein Psalmwort.
Es wird das „Benedictus“ genannt,
denn so lauten
die ersten Worte im Lateinischen:
„Benedictus Dominus“:
„Gelobt sei der Herr,
der Gott Israels!

Denn er hat besucht
und erlöst sein Volk
und hat uns aufgerichtet
ein Horn des Heils
(s.u.)
im Hause seines Dieners David –
wie er vorzeiten geredet hat
durch den Mund
seiner heiligen Propheten – ,

dass er uns errettete
von unsern Feinden
und aus der Hand aller,
die uns hassen,

und Barmherzigkeit erzeigte
unsern Vätern und gedächte
an seinen heiligen Bund,

an den Eid, den er geschworen hat
unserm Vater Abraham,
uns zu geben, dass wir,
erlöst aus der Hand der Feinde,
ihm dienten ohne Furcht
unser Leben lang in Heiligkeit
und Gerechtigkeit vor seinen Augen.

Und du, Kindlein,
wirst Prophet des Höchsten heißen.
Denn du wirst dem Herrn
vorangehen,
dass du seinen Weg bereitest
und Erkenntnis des Heils gebest
seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden,
durch die herzliche Barmherzigkeit
unseres Gottes, durch die uns
besuchen wird das aufgehende Licht
aus der Höhe,

auf dass es erscheine denen,
die sitzen in Finsternis
und Schatten des Todes,

und richte unsere Füße
auf den Weg des Friedens.“

(Lk 1, 68-79 - Lutherbibel 2017.
Ein Horn ist Zeichen der Macht.
Der Text lässt sich übertragen mit:
Er hat uns einen starken Retter gesandt.)

Zacharias beginnt
mit einem Lob Gottes.
Das ist die Grundlage, die Basis,
für alles, was danach kommt.
Danach erinnert Zacharias
an die Geschichte Gottes
mit den Menschen:
an den König David,
der als Messias wiederkommen soll,
an die Botschaften der Propheten
und an den Bund zwischen Gott selbst
und Abraham mit seinen Nachkommen.
Zacharias spricht wiederholt
von den Errettungen
der Israeliten vor ihren Feinden.
Dieses wiederholte Retten
ist jedoch kein Selbstzweck.
Es geht um ein Leben
in Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit.
Dann richtet Zacharias
den Blick nach vorn.
Sein Sohn Johannes
wird den Weg von Jesus vorbereiten.
Er wird die Menschen
aus ihrer Lethargie reißen,
sie darauf hinweisen,
dass sie ihr Leben
nicht in Finsternis verbringen müssen,
sondern vom lebensbringenden Licht Gottes
überstrahlt werden.
So können sich die Menschen
auf den Weg machen,
Frieden zu schaffen.
Darauf läuft das Lied des Zacharias hinaus.
Herausgeholt werden aus der Finsternis
und sich auf den Weg
zum umfassenden Frieden,
zum Schalom, machen.
    Der Rückblick
auf die lange Geschichte Gottes
mit den Menschen,
die Erinnerung an seinen Bund
mit Abraham und den Israeliten,
das Wissen
um die Verheißungen der Propheten
und des Messias –
all das macht Zacharias Mut,
nach vorne zu schauen.
Vielleicht sollten wir uns
gerade jetzt im Advent Zeit nehmen
und darauf zurückschauen,
was bei vielen Problemen
und gegen alle Schwierigkeiten
erreicht worden ist.
Wir haben aufgehört,
vom gerechten Krieg zu reden,
und fangen an,
uns um gerechten Frieden zu bemühen.
Es gab Hoffnungszeichen
wie den Westfälischen Frieden
und Vereinbarungen
wie die Haager Landkriegsordnung
und die Allgemeine Erklärung
der Menschenrechte.
Und als man im Jahr 1979 anfing,
intensiv über die Folgen
eines Klimawandels nachzudenken,
erschien ein globaler Temperaturanstieg
von mehr als 4° Celsius ganz unvermeidbar.
Was erreicht worden ist,
sind nur Anfänge.
Um in den Bildern der Bibel zu bleiben:
Ja, die Finsternis
bedroht uns immer wieder.
Das Licht scheint manchmal hell,
manchmal sehr gedämpft
und manchmal droht es
zu verlöschen.
Auf dem Weg des Friedens
stolpern wir oft
und fallen auch einmal hin.
Doch wir wissen seit langem,
wohin wir gehen wollen.
Christinnen und Christen
stehen dabei nicht über den Dingen.
Sie leiden wie andere Menschen auch –
vielleicht sogar mehr,
weil sie sich nicht
damit zufrieden geben können
und wollen, wie die Verhältnisse sind.
Doch Christinnen und Christen
müssen nicht alle Kraft und allen Mut
aus sich selbst schöpfen.
Sie sehen Gott in seiner Geschichte
mit den Menschen.
Gott, der da war
und der da ist
und der da sein wird.
Christinnen und Christen
können auf die Zukunft vertrauen,
wie es Zacharias gesagt hat:
Durch die herzliche Barmherzigkeit Gottes
wird das aufgehende Licht
über uns scheinen
und unsere Füße
auf den Weg des Friedens richten.

Ihr
Jürgen-Peter Lesch

 
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