St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für das Epiphanias-Fest am 6. Januar 2024 und für die Woche vom 7. Januar bis 13. Januar 2024

05.01.2024

Andacht für das Epiphanias-Fest am 6. Januar 2024
und für die Woche vom 7. Januar bis 13. Januar 2024
Verfasser:
Pfarrer in Ruhe Jürgen-Peter Lesch
(
Springe –
früher Pfarrer der EKD in Hannover)


„Die Weisen aus dem Morgenland“
und „die Heiligen Drei Könige“
Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa
zur Zeit des Königs Herodes, siehe,
da kamen Weise aus dem Morgenland
nach Jerusalem und sprachen:
Wo ist der neugeborene König der Juden?
Wir haben seinen Stern aufgehen sehen
und sind gekommen, ihn anzubeten.
Als das der König Herodes hörte,
erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem,
und er ließ zusammenkommen
alle Hohenpriester
und Schriftgelehrten des Volkes
und erforschte von ihnen,
wo der Christus geboren werden sollte.
Und sie sagten ihm:
In Bethlehem in Judäa;
denn so steht geschrieben
durch den Propheten
(Micha 5,1):
„Und du, Bethlehem im Lande Juda,
bist mitnichten die kleinste
unter den Fürsten Judas;
denn aus dir wird kommen der Fürst,
der mein Volk Israel weiden soll.“
Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich
und erkundete genau von ihnen,
wann der Stern erschienen wäre,
und schickte sie nach Bethlehem
und sprach: Zieht hin
und forscht fleißig nach dem Kindlein;
und wenn ihr's findet,
so sagt mir's wieder,
dass auch ich komme und es anbete.
Als sie nun den König gehört hatten,
zogen sie hin. Und siehe, der Stern,
den sie hatten aufgehen sehen,
ging vor ihnen her,
bis er über dem Ort stand,
wo das Kindlein war.
Da sie den Stern sahen,
wurden sie hocherfreut
und gingen in das Haus
und sahen das Kindlein mit Maria,
seiner Mutter, und fielen nieder
und beteten es an
und taten ihre Schätze auf
und schenkten ihm
Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Und da ihnen im Traum befohlen wurde,
nicht wieder zu Herodes zurückzukehren,
zogen sie auf einem anderen Weg
wieder in ihr Land.
(Matthäus 2,1-12)

Liebe Leserin, lieber Leser!
Seit dem dritten Advent
geht mir ein kaum bekanntes Weihnachtslied
nicht aus dem Kopf.
Das liegt vielleicht daran,
dass ich den Titel bis jetzt
nicht richtig verstanden hatte.
„A la Berline Postiljon“ lautet er.
Das Lied stammt von einer
ziemlich mitgenommenen Musikkassette
mit Weihnachtsliedern.
Herman van Veen hat sie
im Jahr 1995 aufgenommen.
Er singt das alte flämische Lied auf Deutsch (https://www.youtube.com/watch?v=lK6BCXh_Zyo)  –
allerdings ist die Zeile
„a la Berline Postiljon“ nicht übersetzt.
Inzwischen weiß ich, was sie bedeutet.
Doch davon später.
Der Rest des Textes ist dagegen
sehr gut verständlich.
Es geht um die Heiligen Drei Könige
und deren Weg zur Krippe;
ein Sternsänger-Lied also, an dessen Ende
die Bitte um eine Gabe steht.
Die erste Strophe lautet:
„Wir kommen von Osten,
wir kommen von fern,
a la Berline Postiljon.
Wir sind die drei Könige
mit einem Stern,
a la Berline Postiljon.
Und in die Knie geh'n wir sonst nie,
wir sind drei Königskinder,
nun macht uns schon die Türen auf,
wir warten drauf.“
Neben der Zeile „a la Berline Postiljon“,
die in jeder Strophe zweimal gesungen wird,
lautet der Refrain
„Und in die Knie geh'n wir sonst nie,
wir sind drei Königskinder,
nun macht uns schon die Türen auf,
wir warten drauf.“
   
Dass ein Mensch „in die Knie geht“
kann ganz unterschiedliche Ursachen haben.
Er kann überlastet sein,
überlastet im konkreten
wie im übertragenen Sinn.
Überlastet - so fühlen sich gegenwärtig
viele von uns.
Die Advents- und Weihnachtszeit aber,
die doch Zeit und Raum
für Entspannung und Erholung bringen soll,
war für viele eine anstrengende,
ja sogar zermürbende Zeit.
Viele Menschen litten
und leiden unter dem Hochwasser
in unserem Land.
Und viele litten und leiden darunter,
dass die Kriege immer weiter gehen
und weiterhin Menschen
andere Menschen verletzen und töten.
Dazu kommen persönliche Belastungen:
Angst vor oder Leiden unter einer Krankheit,
Sorgen in der Familie,
in der Schule oder am Arbeitsplatz,
Unsicherheit über manche wirtschaftliche
und politische Entwicklungen
in unserem Land und weltweit.
Da kann man schon „in die Knie gehen“.
   
Doch es gibt auch
ein ganz anderes „in die Knie gehen“.
So wie es die Weisen aus dem Morgenland
vor dem Jesuskind getan haben.
Oder wie wir es tun,
wenn wir uns mit einem Kind unterhalten.
Wenn wir uns nicht zu ihm hinabbeugen,
sondern auf Augenhöhe
mit ihm sprechen, mit ihm spielen
oder singen, uns anhören,
was es bewegt und uns sagen will.
Das ist ein bewusstes in die Knie gehen.
Es bedeutet: Ich will die Welt
aus einer anderen Perspektive sehen.
Ich will mich nicht
größer machen als andere.
Ich will auch die kleinen Dinge,
die kleinen Wunder sehen
und mich darüber freuen.
In die Knie gehen
ist dann eine ganz bewusste Entscheidung.
    
Zurück zu den Sternsingerinnen
und Sternsingern.
In diesem Jahr sammeln sie
unter dem Motto „Gemeinsam für unsere Erde –
in Amazonien und weltweit“.
Dabei geht es um den respektvollen Umgang
mit Mensch und Natur -
respektvoll, also auf Augenhöhe
und nicht von oben herab.
Es geht darum,
sich gemeinsam mit Partnern vor Ort
gegen Brandrodung, Abholzung
und rücksichtslose Ausbeutung
von Ressourcen einzusetzen.
Und es geht um Widerstand
gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen
der einheimischen Bevölkerung
der südamerikanischen Länder Amazoniens.
   
Das Sternsingerlied von Herman van Veen,
das mir immer noch im Ohr ist,
macht deutlich:
Manchmal ist es erforderlich und richtig,
in die Knie, aufs Knie zu gehen.
Vor der Krippe Jesu
haben Menschen gekniet
und dabei erfahren,
dass Größe und Macht nicht alles sind,
dass sie auf die Dauer
nicht das Leben bestimmen können.
Das kann uns Mut dazu machen,
selbst ab und zu aufs Knie zu gehen,
die Welt aus einer anderen Perspektive
zu sehen und schließlich gerade den Menschen,
die so oft und gern übersehen werden,
auf Augenhöhe zu begegnen.

Dazu schenke uns Gott
in dem vor uns liegenden Tagen des neuen Jahres
seinen guten Geist.
Ihr Jürgen Peter Lesch

Die Übersetzung von „a la Berline Postiljon“
trägt nicht wirklich zum Verständnis
des Liedtextes bei.
Die „Berline“ ist eine Kutsche besonderer Bauart.
„A la Berline Postiljon“
ist eine typische populäre Ausformulierung
des französischen „à la berline, postiljon“, was
„zu/mit deiner Berliner Kutsche, Kutscher“ bedeutet.
Die Sternsingerinnen und Sternsinger
kommen in diesem Lied also mit einer Kutsche.
Das ist so verwirrend
wie die gesamte Entstehungsgeschichte des Liedes.
Viel interessanter ist die Veränderung der Weisen
oder Magier aus dem Morgenland
 hin zu drei Königen,
die dann die Namen
Caspar, Melchior und Balthasar tragen.
Später wird zwischen ihnen differenziert.
Der junge Caspar vertritt als Schwarzer Afrika;
der greise Melchior ist geschmückt
wie ein europäischer König;
Balthasar steht in den besten Jahren
und repräsentiert den asiatischen Kontinent.
Die Heiligen Drei Könige
lassen sich auch
 als die drei biblischen Rassen
(Semiten, Hamiten und Jafetiten,
die Nachfahren der Söhne Noahs,
nämlich Sem, Ham und Jafet) typisieren.
Am Ende wurden, so heißt es,
die Gebeine der Heiligen Drei Könige
im Kölner Dom zur Ruhe gebettet.
Doch wenn man den Schrein genau betrachtet,
sieht man, dass sich zu den drei Königen
ein vierter gesellt hat.
Bei allen nachbiblischen Veränderungen
und Erweiterungen geht es immer
um die zentrale Botschaft der Erzählung
aus dem Evangelium nach Matthäus:
Die heidnischen Völker,
für die stellvertretend die Weisen
oder Könige stehen, kommen zu Jesus.
Ebenso sollen auch
am Ende der Zeiten
die Völker der Welt zum Zion kommen.

 
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