St. Vincenz zu Altenhagen I

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Sieben Zitate von Kurt Marti zu „Karfreitag“ für die sieben Wochentage

26.03.2021

Sieben Zitate von Kurt Marti
zu „Karfreitag“
für die sieben Wochentage

Der den Wein austeilt, muss Essig trinken.
Der die Hand nicht hebt zur Abwehr, wird geschlagen.
Der den Verlassenen sucht, wird verlassen.
Der nicht schreien macht, schreit überlaut.
Der die Wunde heilt, wird durchbohrt.
Der den Wurm rettet, wird zertreten.
Der nicht verfolgt, nicht verrät, wird ausgeliefert.
Der nicht schuld ist, der Unschuldige wird gequält.
Der lebendig macht, wird geschlachtet.
Der die Henker begnadigt, stirbt gnadenlos
Kurt Marti (1921 - 2017), Schweizer Pfarrer, Schriftsteller und Lyriker

Jesus starb für die Macht der Gerechtigkeit.
Jesus starb durch das Recht der Mächtigen.
Kurt Marti

Schöner Judas
da schwerblütig nun
und maßlos
die Sonne
ihren Untergang feiert
berührst du mein Herz
und ich denke dir nach
ach was war
dein EINER Verrat
gegen die VIELEN
der Christen der Kirchen
die dich verfluchen?
ich denke dir nach
und deiner tödlichen Trauer
die uns beschämt
Kurt Marti

Manchen bin ich einiges,
einigen bin ich vieles schuldig geblieben.
Und die Zeit läuft davon.
Wessen Liebe kann das noch gut machen?
Die meine nicht.
Nein, die meine nicht.
Kurt Marti

Und wie komme ich nun
über meinen Ichberg zu dir?

Kurt Marti

Zimmerer
zimmern
die Balken
und dann
den Zimmerer
an den Balken
und dann
den gebälkten Zimmerer
steil in den wind
Richtbaum aus flatterndem Atem
Richtbaum aus zuckendem Fleisch
Richtbaum
schreiend über
den Firsten der Welt.
Kurt Marti

Jesus

Mit einer Schar von Freunden (Freundinnen auch)
durch Galiläas Dörfer und Städte ziehend
hat er Kranke geheilt und Geschichten erzählt 
von der Weltleidenschaft des ewigen Gottes

Privilegien der Klasse der Bildung galten ihm nichts 
zu seinem Umgang zählten Tagelöhner und Zöllner 
wo Mangel sich zeigte an Nahrung oder Getränk 
teilte er Fische Brot und Wein aus für viele

die Gewalt von Gewalthabern verachtete er 
Gewaltlosen hat er die Erde versprochen 
sein Thema: die Zukunft Gottes auf Erden 
das Ende von Menschenmacht über Menschen

in einer patriarchalischen Welt blieb er 
der Sohn und ein Anwalt unmündiger Frauen und Kinder 
wollten Galiläer ihn gar zum König erheben? Er aber 
ging hinauf nach Jerusalem: direkt seinen Gegnern ins Garn

auf einem Jungesel kam er geritten - Kleinleute-Messias:
die Finger einer Halbweltdame vollzogen die Salbung an ihm ... 
bald verwirrt bald euphorisch folgten ihm die Freunde die Jünger 
um bei seiner Verhaftung ratlos unterzutauchen ins Dunkel

über sein Schweigen hin rollte der schnelle Prozess
ein Afrikaner schleppte für ihn den Balken zum Richtplatz hinaus 
stundenlang hing er am Kreuz: Folter mit tödlichem Ausgang – 
drei Tage später die nicht zu erwartende Wendung

anstatt sich verstummt zu verziehen ins bessere Jenseits 
brach er von neuem auf in das grausame Diesseits
zum langen Marsch durch die Viellabyrinthe
der Völker der Kirchen und unserer Unheilsgeschichte

oft wandelt uns jetzt die Furcht an er könnte 
sich lang schon verirrt und verlaufen haben 
entmutigt verschollen für immer vielleicht - oder bricht er 
noch einmal (wie einst an Ostern) den Bann?

und also erzählen wir weiter von ihm 
die Geschichten seiner rebellischen Liebe 
die uns aufwecken vom täglichen Tod – 
und vor uns bleibt: was möglich wär' noch.
Kurt Marti


Hinweis:
Am 31. Januar 1921 ist Kurt Marti in Bern geboren
und wäre jetzt hundert Jahre alt geworden.
Er ist am 11. Februar 2017 verstorben.

 
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