St. Vincenz zu Altenhagen I

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Predigt von Superintendent Andreas Brummer im Einführungsgottesdienst am 30. August 2020

04.09.2020

Predigt von Superintendent Andreas Brummer
(Kirchenkreis Laatzen-Springe)
im Einführungsgottesdienst am 30. August
2020
in der St.-Lucas-Kirche Pattensen
über 1. Korinther 3,9-17


Liebe Festgemeinde,

wir sind in einer Woche voller Anfänge. Die Schulen sind in voller Klassenstärke ins neue Schuljahr gestartet. Viele Eltern, die durch das homeschooling der Monate vor den Ferien ausgezehrt sind, atmen auf. Andere sind angespannt, ob und wie das klappt und hoffen, dass es gut geht. Und dass im Fall eines Infektionsausbruchs Steuerungsmöglichkeiten greifen. Unser Leben ist fragiler geworden. Und jeder Anfang und Wiederanfang birgt neue Ungewissheiten in sich. Wir suchen gangbare Wege und wissen dabei, dass jeder Weg sein eigenes Risiko hat. Deshalb ist es gut, alle Wiederanfänge und Anfänge dieser Woche in Gottes Hände zu legen und in Gottes Gegenwart zu stellen. Und unter Gottes Wort. Das tun wir auch heute. Denn etwas Besseres als das können wir nicht tun.

So lese ich den Predigttext für den heutigen Sonntag. Worte des Apostel Paulus aus dem 1. Korintherbrief. Der Apostel schreibt:

Wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau.

Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer aber baut darauf.

Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut.

Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch. Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Der Tempel Gottes aber ist heilig - und der seid ihr.

Liebe Gemeinde,

Von Bauwerken redet Paulus und von Ackerfelder. Das ist in einem Kirchenkreis, der sich in der Ausschreibung der Superintendenstelle als Kirchenkreis „zwischen Hochhäusern und Rübenfeldern" vorgestellt hat, nichts Fremdes. Das sind vertraute Bilder: hochschießende Gebäude und weite Ackerflächen. Es sind Realitäten, in denen aufscheint, wie unterschiedlich sich das Leben in einem Kirchenkreis, in Stadt und Land, ausgestaltet.

Kirche ist niemals einförmig. In aller Diversität hat sie aber einen gemeinsamen Grund. Ein Fundament, das alles und alle trägt, das kulturbildend und stiftend für alles ist. Ein Fundament, das für alle reicht. Und auf dem reichlich gebaut und umgebaut werden kann. Daran erinnert uns Paulus.

Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Nun wissen alle Bauleute. Bei allem, was man baut und wie man baut: Auf den Grund kommt es an. Ohne ein sicheres und solides Fundament sollte man vom Bau lieber die Finger lassen. Auf den

Grund kommt es an. Auf das, was trägt, und zwar auch dann, wenn die Bretter, die unsere Welt bedeuten, plötzlich brüchig werden.

Die Kirche lebt aus der Erfahrung: Auch wenn die Schritte plötzlich im Boden einsinken: es gibt einen tieferen Grund, der uns trägt. Dort sind unsere Lebensleitern verankert, auf denen wir uns emporhangeln, mal waghalsig, manchmal tastend und zögernd. Diese Erfahrung ist zunächst eine kollektive, sie speist sich nicht nur aus dem, was wir als Einzelne hier und jetzt erleben, sondern aus dem Erfahrungsschatz der Generationen. Und sie hat ihren Ursprung in der Geschichte Jesu Christi. Im Weg Jesu Christi von der Krippe zum Kreuz und durch den Tod ins Leben, aus dem sich auch uns eine neue Perspektive eröffnet. Wir können nicht tiefer fallen können als in Gottes Hand. Das ist unser Halt, unsere Grundsicherung, auch in ungewissen Zeiten.

Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

Diesen Grund, dieses Fundament des Glaubens hat die Kirche aber nicht für sich allein. Der Theologe Fulbert Steffensky hat es einmal so formuliert: „Die Kirche ist auch eine Glaubensverleihanstalt".

Man könnte auch sagen: Sie ist eine Agentur der Hoffnung. Sie hütet und verbreitet das Vertrauen ins Leben und in den Gott, der das Leben ist. Diesen Glauben, diese Hoffnung darf man sich jederzeit ausborgen. Der ist nicht exklusiv für die reserviert, die immer schon dabei waren. Gott segnet, was den Segen sucht, heißt es in einem unserer Lieder. Auch die Agenten dieser Glaubensverleihanstalt können sich diesen Glauben ausleihen. Die Kirche ist ja keine Institution von Glaubenshelden, die Zweifel und Verunsicherung nicht kennen. So leihen auch wir uns in unsicheren Zeiten unseren Mut vom Glauben derer, die vor uns auf dem Weg waren.

Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister...

Paulus erinnert heute an die Anfangszeit der Gemeinde in Korinth. An die Grundsteinlegung. Doch er gibt auch Empfehlungen für die nächste Bauphase nach ihm. Er zählt mögliche Baumaterialien auf. Gold, Silber, Edelstein, Holz, Stroh. Er beschreibt Baurisiken. Er erinnert an die Verantwortung der Bauleute auch für den Fall, dass es brenzlig wird. Dass es auf Herz und Nieren geht. Auch das ist klug. Denn wir wissen: Wenn es brennt in einer Gesellschaft, wenn es brenzlig wird, wenn sich die Risse zeigen und Mauern einstürzen, dann zeigt sich, was der Bau wert ist.

An all das erinnert Paulus. Aber eines tut er nicht. Er zeigt uns keinen konkreten Bauplan. Ob der Bau Gottes nun eine Kathedrale wird oder eine Dorfkirche oder ein Dorfgemeinschaftshaus oder eine Diakoniestation, das erfahren wir nicht. Es ist fast so, als ob er sagen will: Den Bauplan für euren Bau, für den Tempel Gottes, der ihr seid, den müsst ihr selbst entwerfen. Den könnt ihr nur selbst entwerfen. Das ist eure Verantwortung. Hier gibt es keinen Masterplan. Es gibt nur den Grund, der gelegt ist und der trägt. Und eine Empfehlung: Ein jeder achte, wie er darauf aufbaut.

Wie er darauf aufbaut. Paulus schaut nicht auf das Ziel, sondern auf den Weg. Nicht auf das, was gebaut wird, sondern wie dort gebaut wird. Und das meint nicht nur das Material, sondern auch die Baukultur. Die Haltung. Das Leben auf der Baustelle. Das ist nicht egal. Denn der Bau ist nie zu Ende. Die Baustelle ist nämlich selbst das Leben. „Irgendwann merkte ich, dass das, was ich immer für das Stimmen der Instrumente gehalten habe, bereits das Konzert ist". So hat das einmal einer mit einem Bild aus der Musik beschrieben. Das Konzert ist immer schon im Gange. Die Baustelle ist selbst das Leben. Deshalb ist der Weg zugleich Ziel. Diese Sichtweise erinnert daran, dass Kirche nicht nur in

dem, was sie tut, Gottes Gegenwart in der Welt bezeugt, sondern eben auch darin, wie sie ihren Weg in allen Umbrüchen und Ungewissheiten sucht und findet.

Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden.

Was ist nun der Goldstandard auf der Baustelle Gottes? Damit ist jedenfalls nicht das Material der Wasserhähne gemeint. Es geht vielmehr um die Werte, um Grundhaltungen, die auf der Baustelle Gottes gelebt werden. Worauf greifen Bauleute dort zurück, wenn Sie ans Werk gehen?

Ich greife einmal 5 Aspekte heraus, die mir wichtig sind.

Der erste: Einer trage des anderen Last (Gal 5,25). Auf der Baustelle Gottes steht keiner allein. Und auf Gottes Ackerfeld werden die Felder nicht nur für den eigenen Gebrauch geerntet. Hier ist Nächste im Blick, der nahe und der ferne Nächste. Diakonie ist der Wesensausdruck des Glaubens.

Sie ist nicht dabei Mittel zu einem fremden Zweck. Diakonie ist nicht ein Medium, um Menschen in die Kirche zu ziehen. Sie ist schlicht Ausdruck tätiger Nächstenliebe. Eine Selbstverständlichkeit des Glaubens. Baukultur. Und sie ist hier im und für den Kirchenkreis ein Kompass, sei es in den Ladenprojekten in Laatzen und Springe, im Umsonstladen und im Nachbarschaftsladen, in den Beratungseinrichtungen, in der Sozialarbeit und in der Diakoniestation, in den Mittagtischen und Hilfsprojekten in den Gemeinden. Ohne diesen Kompass verliert Kirche ihren Kurs.

Das zweite: Suchet der Stadt Bestes (Jer 29,7). Das meint: Schottet euch nicht ab. Baut keine Festungen. Öffnet die Türen zum Dorf, zur Stadt. Pflegt gute Nachbarschaft. Seid gemeinsam unterwegs. Versteht euch als Teil eines größeren Ganzen. In dieser Woche ist die Aktion „Helfende Hände" des Nachbarschaftsladens in Springe in die Nominierungsliste für den Deutschen Nachbarschaftspreis 2020 aufgenommen worden. Das ist eine schöne Anerkennung für den Springer Bautrupp und zugleich ein Zeichen der Ermutigung.

Das dritte. Knapp und kurz. Die Freude am Herrn ist eure Stärke (Neh 8,10). In Gottes Bau und auf Gottes Ackerfeld darf gelacht werden. Wir bauen nicht nur auf unsere eigene Kraft. Als Bauleute Gottes sind wir daher fröhliche Beginner, nicht verbissene Vollender.

Und das Vierte: Es ist noch eine Ruhe vorhanden für das Volk Gottes (Hebr 4,9). Die Baustelle Gottes kennt die Unterbrechung. Hier gilt nicht das Gesetz 24h/7Tage. Ein Christ ist immer im Dienst? Ja schon, aber es muss ja nicht immer derselbe sein. Auf Gottes Bau können Hamsterräder rückgebaut werden. Denn in der Kirche soll keiner leerlaufen und ausbrennen - und außerhalb der Kirche soll das auch niemand. Deshalb feiern wir Gottesdienste und laden wir ein in den Städten und Dörfern, die Ruhe Gottes am siebten Schöpfungstag zu feiern und uns in diese Ruhe hineinfallen zulassen.

Und ein letztes: Wo der Geist des Herrn weht, da ist Freiheit (2. Kor 3,17). Auf der Baustelle Gottes wird gebaut in der Achtung von Begrenzungen und im Wissen um menschliche Fehlbarkeit. Fehler sind erlaubt. Experimente sind erwünscht. Und Umwege erweitern die Ortskenntnis. Ein Organisationsberater, einer der so genannten „Musterbrecher", hat einmal gesagt: „Nicht alles, was ausprobiert wird, funktioniert, aber alles was funktioniert, ist einmal ausprobiert worden". So ist auch die Kirche eine Lerngemeinschaft. Sie braucht Lernerfahrungen und Lernkurven. Mancher

Bauabschnitt wird und darf auch scheitern. Und ändert dennoch nichts daran, dass wir Tempel Gottes sind und bleiben, wie Paulus schreibt, prall gefüllt mit Gottes Geist.

Denn: Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Der Tempel Gottes aber ist heilig - und der seid ihr.

So ist nun heute ein Superintendent eingeführt worden. Das ist nach 18 Jahren erst das zweite Mal im Kirchenkreis Laatzen-Springe. Das ist ein besonderer Tag. Und ich trete dieses Amt an mit Respekt und zugleich mit der Freude auf den gemeinsamen Dienst in den Tempelanlagen des Kirchenkreises und darüber hinaus. Und doch heute beginnt kein neuer Bau im weiten Feld zwischen Hochhäusern und Rübenfeldern. Heute ist zunächst schlicht ein Tag, an dem wir Bauleute uns auf unseren Grund besinnen und auf unsere Aufgabe. Auf das, was wir sein sollen und sind, auch in fragiler Zeit: Eine Agentur der Hoffnung. Mit Gottes Hilfe.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Superintendent Andreas Brummer

 
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