St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 17.1.2021 bis 23.1.2021

15.01.2021

Andacht für die Woche vom 17.1.2021  bis 23.1.2021
Verfasser:  Pastor Eckhard Lukow
(St. Andres Springe – St. Vincenz Altenhagen I )


„Von seiner Fülle haben  wir

alle genommen Gnade um Gnade“

(Johannes 1,16 – Wochenspruch für die Woche
ab 2. Sonntag nach Epiphanias)  

 

„Von seiner Fülle haben wir alle
genommen Gnade um Gnade.“
Dieses Wort stammt von Johannes dem Täufer.
Johannes bringt seine Lebensgrundlage zum Ausdruck.
Er weiß sich getragen
von einem großen göttlichen Ja-Wort.
Er weiß sich bejaht.
Das hat ihn stark gemacht.
Nichts stärkt uns Menschen ja so
wie die Erfahrung, bejaht zu sein.

     Was ist aus der Gnade geworden
und aus dem bedingungslosen Ja-Wort,
das in biblischen Zeiten Johannes den Täufer
aus dem Zuspruch von Jesus Christus gewonnen hat?
     Auf Autofahrten durch Deutschland
sehen wir gelegentlich Ortsnamen mit
der Vorsilbe „Gnade“.
Mir fallen Ortschilder
wie Gnadau, Gnadenthal und Neugnadenfeld ein.
Diese Ortsbezeichnungen
machen neugierig.
Woher kommt so ein Name?
Ich lese gerne im Smartphone nach.
Ich bin immer wieder erstaunt,
dass diese Namen bewusst gewählt sind.
Frauen und Männer haben
sich von der Gnade Gottes angesprochen gefühlt.
Sie haben die Zuwendung Gottes
zu ihnen nicht als selbstverständlich genommen.

Sie haben darüber gestaunt
und sie tief zu schätzen gewusst.
Sie ist zu einer lebensbestimmenden Haltung geworden.
Sie haben die Gnade Gottes
als konkrete Erfahrung
angenommen und aufgenommen.
Sie haben das Wort
von Johannes dem Täufer unterstrichen:
„Von seiner Fülle haben wir alle
genommen Gnade um Gnade.“
Sie waren dankbar
für die Gnade, aus der sie gelebt haben
und wollten sie nicht allein behalten.
Als dankbare Menschen haben sie
Gnadau, Neugnadenfeld, Gnadenthal
oder Lobetal gegründet.
Je nach persönlichen Stärken
haben sie der Gnade
einen Ort in dieser Welt gegeben.
Manche „Gnaden“-Ortschaften
sind diakonisch geprägt,
andere stärke
die Freude am Christsein.
Besuchende und Wohnende
spüren bis heute schnell
die besondere herzliche Atmosphäre
in Gnadau, Neugnadenfeld,
Gnadenthal oder Lobetal.

      Ein bewegendes Beispiel -
es ist der 30. Januar 1990,
als vor einem Haus in Lobetal
in der Nähe von Bernau bei Berlin
in einer Einrichtung der Diakonie
drei schwere Limousinen halten.
Aus einer der Limousinen
steigen Margot und Erich Honecker.
Honecker ist als Staatsratsvorsitzender
der DDR gestürzt und aus seinem Haus
in Wandlitz verwiesen worden.
Er soll vor Gericht gestellt werden.
Unzählige Opfer der DDR-Politik
wollen ihn zur Rechenschaft ziehen -
gerne auch direkt,
mit ihren eigenen Fäusten.
     Honecker ist quasi obdachlos
Er weiß nicht mehr,
wohin er und seine Frau gehen sollen.
Und so gehen sie zur Kirche,
gehen in eine diakonische Einrichtung,
die ihr Wurzeln hat in der Gnade Gottes.
Der Grundsatz dieser Einrichtung
für Obdachlose heißt: Weise niemanden ab!
Das Haus, vor dem er und seine Frau aussteigen,
ist ein Pfarrhaus.
Es ist das Haus des Pastors Uwe Holmer.
Pastor Holmer geht den Honeckers entgegen
und heißt sie willkommen.
     Drei Monate werden Margot und Erich Honecker
bei Uwe Holmer wohnen;
zwei Söhne Holmers haben ihre Zimmer geräumt,
damit Honeckers dort unterkommen können.
Die Dusche teilen sie sich mit Holmers Söhnen.
Ab und an essen sie zusammen
mit dem Pastor und seiner Familie,
gehen zusammen spazieren.
     „Honecker nach Bautzen”,
steht auf einem Transparent vor dem Pfarrhaus.
Ja, eines Tages steht einer
mit einem Strick für Honecker im Garten.
Uwe Holmer schützt die Honeckers in ihrem Asyl.
Er sucht das Gespräch,
erweist ihnen Gastfreundschaft.
Dabei wurde er als Pastor
dauerhaft von der Stasi bespitzelt.
Er hat in der DDR-Zeit
an die Bergpredigt Jesu festgehalten
und scheut den Konflikt
mit staatlichen Organen nicht.
Als einst die Bauern enteignet worden sind,
hat er dagegen protestiert.
Ihm ist mit Gefängnis gedroht worden.
Er hält kritische Predigten,
macht seinen Wahlzettel
bei Volkskammerwahlen absichtlich ungültig.
Keines seiner Kinder darf Abitur machen. 
Holmer protestiert, zuletzt sogar
bei der Volksbildungsministerin Margot Honecker.
Aber von Margot Honecker kommt nie eine Antwort.
Als er dies Margot Honecker erzählte,
hat sie nur gesagt:  “Das habe ich nicht gewusst.”
Übrigens: lange Jahre noch schickt Margot Honecker
zu Weihnachten und zu den Geburtstagen
Grußkarten an Familie Holmer.
     Warum nimmt ausgerechnet er
die Honeckers auf, schützt sie sogar?
Die Antwort liegt wohl hier:
„Von seiner Fülle haben wir

alle genommen Gnade um Gnade“

 
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