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Andacht für die Woche vom 14. bis 20.Februar 2021

17.02.2021

Andacht für die Woche vom 14. bis 20.Februar 2021
Verfasser: Jürgen-Peter Lesch
Pastor in Ruhe (Springe – früher Pfarrer der EKD in Hannover)


„Wir ziehen jetzt nach Jerusalem.
Dort wird alles in Erfüllung gehen,
was die Propheten über den Menschensohn geschrieben haben.“
(Übersetzung nach der BasisBibel)

(Lukas 18,31 – Wochenspruch für den Sonntag Estomihi
und die anschließende Woche
)


Jetzt ist aber Schluss! Jetzt wird es ernst.
Am kommenden Mittwoch
ist Schluss mit Karneval und Fasching.
Auch wenn in diesem Jahr
von der „fünften Jahreszeit“
kaum etwas zu sehen und zu hören war:
Am Aschermittwoch ist es mit dem Spaß vorbei.
Der Wochenspruch könnte
auch unter diesem Motto stehen:
„Jetzt ist aber Schluss! Jetzt wird es ernst“.
Für die Jüngerinnen und Jünger
ist Schluss mit dem Umherziehen
in Judäa und Galiläa.
Es wird ernst,
denn jetzt geht es hinauf nach Jerusalem.
Und dort wird es
zum Prozess gegen Jesus kommen.

Manchmal ist es gut,
nicht zu wissen,
was auf mich zukommt.
Manchmal ist es besser,
nicht zu weit nach vorne zu blicken.
Natürlich kann der Blick nach vorn Hoffnung machen.
Hoffnung, dass es bald Frühling wird.
Hoffnung, dass das Leben
freier und unbeschwerter wird.
Und vor allem Hoffnung,
dass das Leben sicherer,
übersichtlicher und planbarer wird.
Aber der Blick nach vorn
kann mich auch verzweifeln lassen.
Wenn es keine Aussicht
auf ein weniger beschränktes,
auf ein freies Leben gibt.
Wenn die Unsicherheit nicht kleiner wird
und so vieles unklar bleibt.
Wenn nicht abzusehen ist,
welche unterschiedlichen Aufgaben
auf mich warten
und mit welchen Ereignissen ich rechnen muss.

Jesus aber richtet den Blick nach vorn.
Das lässt er auch seine Jünger wissen.
Er sagt ihnen, um was es nun gehen soll.
Dazu schart er sie um sich.
Ausdrücklich ist in der Szene
von zwölf Jüngern die Rede,
die er beiseite nimmt.
Die kleine Gruppe ist ganz unter sich.
Und was Jesus sagt, ist wirklich wichtig.
„Hört zu!“, sagt er.
Er spricht von dem Weg,
der jetzt vor ihnen allen liegt.
Keiner von den Zwölfen soll sagen können,
er habe es nicht gewusst.

In der Einleitung bleibt Jesus noch allgemein.
Er sagt: In Jerusalem
wird alles in Erfüllung gehen,
was die Propheten über den Menschensohn,
den Messias – oder den „Gesalbten“,
wie es übersetzt heißt – gesagt haben.
So weit – so gut.
Damit könnten die Jünger ganz gut leben.
Sie könnten ja versuchen,
aus den Worten der Propheten
das Gute zusammenzusuchen.
Vielleicht ist ihnen bei den Propheten
die Rede vom Messias im Ohr:
„Denn uns wurde ein Kind geboren,
ein Sohn ist uns geschenkt worden.
Ihm wurde die Herrschaft übertragen.
Er trägt die Namen: wunderbarer Ratgeber,
starker Gott, ewiger Vater, Friedefürst.“
– so heißt es beim Propheten Jesaja.
Und der Prophet Micha
sagt über den Messias:
Er wird auftreten und sein Volk weiden.
Dazu gibt ihm der
Herr die Kraft und die Macht.
Sie liegt in dem Namen des
Herrn, seines Gottes.
Dann wird man wieder sicher
im Land wohnen können.
Denn seine Macht reicht bis zum Rand der Welt.
Er wird sich für den Frieden stark machen“.

Aber dann sagt Jesus, was ihn selbst erwartet.
Und das ist ganz anders als das,
was sich seine Jünger vorstellen wollten.
Jesus wird den Menschen ausgeliefert sein.
Er wird verspottet, misshandelt
und angespuckt werden,
ausgepeitscht und getötet.
Und Jesus spricht weiter.
Der Menschensohn, also Jesus selbst,
wird am dritten Tag vom Tod auferstehen.
Punkt!
In vier, fünf Sätzen sagt Jesus seinen Jüngern,
was ihm selbst und damit auch ihnen
in Jerusalem bevorsteht.
Denn sie werden das alles,
was Jesus erleidet,
aus der Nähe oder etwas entfernt
von ihm miterleben müssen.
Die zwölf Jünger verstehen nichts.
Der Sinn der Worte bleibt ihnen verborgen.
Sie begreifen nicht, wovon Jesus spricht.
In diesen drei Hauptsätzen
wird im Evangelium nach Lukas
ganz deutlich ausgedrückt,
dass die Jünger nichts,
aber auch gar nichts verstehen.
Und so nehmen sie nicht einmal
die gute Nachricht am Schluss mehr wahr:
Jesus wird am dritten Tag auferstehen.

Nicht nur die Jünger von Jesus,
auch viele andere Menschen
in Israel verstehen nicht,
dass der Messias mit Schimpf und Schande
am Kreuz enden sollte.
Sie hatten viel mehr
die Bibelstellen im Kopf und vor Augen,
die den Messias
als mächtigen Herrscher ankündigten.
Ein Messias, der leidet und stirbt,
das sollte nicht sein.
Vielleicht ist es ganz gut,
dass die Jünger nichts verstehen.
Vielleicht hätte sich dann doch
der eine oder andere mehr oder weniger offen
von der Gruppe um Jesus verabschiedet.
Immerhin hatte der gesagt:
„Wir ziehen jetzt nach Jerusalem.“
Wir – wir alle – werden diesen Weg gehen.

Aber mit der Ankunft in Jerusalem
hat es noch ein bisschen Zeit.
Noch sind sie auf dem Weg.
Und wie zur Beruhigung
seiner Jünger und Jüngerinnen tut Jesus etwas,
was sie inzwischen gut kennen.
Er heilt einen Menschen.
Ein Blinder sitzt am Wegesrand.
Und der will sehen können.
Jesus heilt ihn.
Und er, der jetzt sehen kann,
geht mit Jesus und den anderen mit.
Das alles ist den Jüngerinnen und Jüngern vertraut.
Und so können sie etwas beruhigt sein.

Später werden ihnen
wie dem Blinden die Augen aufgehen.
Doch das wird erst mit
und nach der Auferstehung
von Jesus Christus geschehen.
das kommt also erst später.
Zunächst führt ihr Weg weiter –
hinauf nach Jerusalem.
Dort, wo das Passafest gefeiert werden wird.
Die Jüngerinnen und Jünger gehen diesen Weg.
Sie haben nichts von dem verstanden,
was Jesus gesagt hat
und was ihn und sie am Ende in Jerusalem erwartet.
Aber sie gehen mit. Warum eigentlich?
Jesus sagt: „Wir ziehen jetzt nach Jerusalem.“
Ich gehe mit euch. Ich bin bei euch.
Das reicht aus.
Mehr müssen die Jüngerinnen
und Jünger jetzt noch nicht wissen.

Ein langer Weg liegt hinter ihnen.
Gemeinsam mit Jesus sind sie ihn gegangen.
Viel haben sie mit ihm erlebt.
Sie waren traurig mit den Traurigen
und fröhlich mit den Fröhlichen.
Immer wieder wurden sie Zeuge davon,
dass Menschen geheilt wurden.
Sie sind dabei gewesen,
als Menschen befreit wurden:
von ihrer Angst,
von ihren Sorgen,
von ihrer Schuld.
Und Jesus hat sie je zu zweit ins Land gesendet.
Sie haben an vielen Orten von ihm erzählt
und wohl auch Wunder getan.
Schließlich sind sie zu ihm zurückgekehrt.
Vor ihren Augen haben sie
die Veränderungen gesehen,
die die Gute Nachricht von Jesus bewirkt hat.
Sie haben gehört,
dass Jesus immer wieder vom Reich Gottes erzählt hat.
Und er hat nicht nur davon erzählt,
sondern es ist schon immer wieder
in seinem Handeln sichtbar geworden.
Das Reich Gottes ist so
immer wieder nahe herbeigekommen.

Doch bei all dem
sind die Jüngerinnen und Jünger unsicher geblieben.
Worauf sollte das hinauslaufen,
fragten sie sich ab und zu.
Sie haben wie viele Menschen damals gespürt,
dass es nicht immer so weiter gehen würde
mit diesem Jesus.
Aber sie bleiben bei ihm.
Das Vertrauen zu ihm ist ungebrochen.
Natürlich werden sie in bestimmten Situationen
auch zweifeln, ja sogar verzweifeln.
Sie werden unsicher werden.
Oder sie wollen wie Petrus
mit seinem Schwert einfach drein hauen.
Doch das geht vorüber.
Genauso wie der Versuch,
sich von Jesus zu distanzieren.
Der Weg, den die Jüngerinnen und Jünger
gemeinsam mit Jesus gehen,
ist nicht zu Ende.
Er wird sie begleiten.
So wie er die beiden Jünger
auf ihrem Weg nach Emmaus begleitet hat.
Und er wird ihnen seinen Geist senden,
der sie bei ihrer Verkündigung der Guten Nachricht
begleitet.

Jetzt ist also noch lange nicht Schluss.
Sicher, wir sehen vieles ernster als vor einem Jahr.
Und bei manchem sehen wir
auch genauer hin als früher.
Aber Schluss ist hier nicht.
Vielmehr geht das weiter,
was mit den Worten von Jesus
„Wir ziehen jetzt nach Jerusalem.“ begonnen hat.
Dieser Weg, den Menschen
mit Jesus Christus gehen
und den Jesus Christus mit uns Menschen geht,
ist nicht zu Ende.
Wir sind gemeinsam auf dem Weg –
zusammen mit Christinnen und Christen
überall auf unserer Erde.
Die Gute Nachricht über das Reich Gottes,
das schon unter uns ist
und zugleich immer neu zu uns kommt,
weist uns den Weg.
Die Apokalypse muss warten –
aber ebenso das Paradies.

Inzwischen kann und soll uns
etwas Besonderes Mut machen:
Die Zusage von Jesus Christus,
dass er seinen Weg nicht allein,
sondern mit uns geht.
Die Zusage an uns,
dass wir auf unserem Weg nicht allein sind,
sondern von Jesus begleitet werden.
Wie die Jüngerinnen und Jünger
müssen wir nicht auf das Ende sehen,
sondern können unseren Blick
auf den Weg vor uns richten.
Wir verschießen unsere Augen nicht vor dem,
was uns auf diesem Weg begegnet,
denn Jesus hat uns die Augen geöffnet.
Dabei müssen wir uns nicht selbst stark machen,
sondern wir können uns stärken lassen:
von der Guten Nachricht von Jesus
ebenso wie von den Menschen,
die uns Gutes wollen.
Wir können einander stärken und trösten,
aufrichten und Mut zusprechen.
Und das nicht allein aus unserer Kraft
und unserem Vermögen,
sondern gestärkt und getröstet durch Jesus Christus,
der mit uns auf dem Weg ist und uns begleitet.

Amen.

 
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