St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 6. November bis 12. November 2022

06.11.2022

Andacht für die Woche
vom 6. November bis 12. November 2022
über die Wochenlied für
den drittletzten Sonntag im Kirchenjahr
„Es wird sein in den letzten Tagen“ (EG 426)
Verfasser: Superintendent in Ruhe
Jürgen Flohr ((Springe – früher Syke)


  1. Es wird sein in den letzten Tagen,
    so hat es der Prophet gesehn,

da wird Gottes Berg überragen
alle anderen Berge und Höhn.

Und die Völker werden kommen
von Ost, West, Süd und Nord,

die Gott Fernen und die Frommen,
zu fragen nach Gottes Wort.

Auf, kommt herbei!
Lasst uns wandeln im Lichte des Herrn!

 

  1. Es wir sein in den letzten Tagen,
    so hat es der Prophet geschaut,

da wird niemand Waffen mehr tragen,
deren Stärke er lange vertraut.

Schwerter werden zu Pflugscharen
und Krieg lernt keiner mehr.

Gott wird seine Welt bewahren
vor Rüstung und Spieß und Speer.

Auf, kommt herbei!
Lasst uns wandeln im Lichte des Herrn!

 

  1. Kann das Wort von den letzten Tagen
    aus einer längst vergangnen Zeit

uns durch alle Finsternis tragen
in die Gottesstadt, leuchtend und weit?

Wenn wir heute mutig wagen,
auf Jesu Weg zu gehen,

werden wir in unsern Tagen
den kommenden Frieden sehn.

Auf, kommt herbei!
Lasst uns wandeln im Lichte des Herrn!

 

Liebe Lesende,

das 2. Wochenlied für die Woche
nach dem 6.11.2022 ist ein neueres,
nicht so bekanntes Lied
aus unserem Gesangbuch
mit einer ebenfalls neuen Melodie.
Beide stammen aus den Achtziger Jahren
des letzten Jahrhunderts.
Der Verfasser Walter Schulz
nimmt Bezug auf die Endzeit-Schau
des Propheten Jesaja (Jesaja 2,2-5),
in der der Prophet seine Vision
von den letzten Tagen der Erde schildert.

    Diese Vorstellungen nimmt Schulz auf
und fasst sie in eigene Bilder und Verse.

Gottes Berg, heißt es in Strophe 1
(gemeint ist wohl der Berg Zion in Jerusalem
oder seine geistliche Bedeutung)
soll alle anderen Berge und Hügel überragen.
Zu ihm hin werden die Völker kommen
aus allen Himmelsrichtungen,
und zwar sowohl die Gott Fernen
wie die Frommen.
Sie werden – endlich – nach Gottes Wort fragen
und sich nach seinem Willen richten.
Am Schluss der ersten
wie auch aller Strophen
ruft der Verfasser aus:
„Auf, kommt herbei!
Lasst uns wandeln im Lichte des Herrn!“

Damit aktualisiert Schulz die Vision des Jesaja
auch für sich und für unsere Zeit
und fordert uns alle auf,
die Prophezeiung
des alttestamentlichen Propheten
für uns und für heute wahr zu machen.

    In Strophe 2 nimmt der Liederdichter
das bekannte und vielzitierte Hoffnungsbild
des Jesaja auf, dass die Völker
ihre Schwerter zu Pflugscharen
machen werden und ihre Spieße zu Sicheln.
Das überträgt er für uns
mit den Worten:
Da wird niemand mehr Waffen tragen
und keiner mehr Krieg lernen.

Wenn ich dies lese
und versuche, es mitzusingen,
so bleibt mir heute Wort und Ton
im Halse stecken;
denn wir erleben in diesem Jahr
doch gerade die Umkehrung dessen,
was Jesaja verheißen
und Schulz gern aufgenommen hat,
nämlich die Rückkehr
eines brutalen Angriffskrieges nach Europa
mit all seinen schrecklichen Folgen.
Können wir dann
mit unserem Lied singen:
Kommt herbei!
Lasst uns wandeln im Lichte des Herrn!?,
wenn gerade eine neue Dunkelheit
über Europa hereinbricht?

   Die 3. Strophe fragt,
ob das Wort des Jesaja von den letzten Tagen,
so alt wie es ist (immerhin ca. 2000 Jahre)
uns doch heute
durch alle modernen Finsternisse
tragen und zur Gottesstadt führen kann?

Diesen Weg nennt der Dichter
den „Weg Jesu“,
den auch wir mutig wagen sollen.

Dieser Weg Jesu ist geprägt von Liebe,
Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten,
ja sogar den Feind zu lieben
hat Jesus gefordert.
Dann werde der kommende Friede
tatsächlich einkehren,
so hofft Schulz.

Wir aber erleben gerade,
dass es doch wieder Krieg gibt
auch in unserer Nähe
und dass die Liebe zum Mitmenschen,
gar die Liebe zum Feind
ganz unmöglich erscheinen.
Angesichts dieser furchtbaren Lage
können wir nur hoffen,
dass nach den schlimmen
kriegerischen Auseinandersetzungen
unserer Tage
am Ende doch endlich wieder Frieden wird,
und wir können versuchen,
unseren Teil dazu beizutragen.

    Das ganze Lied wie das Prophetenwort
sind eine große begeisternde Vision
und Hoffnung auf Frieden ohne Waffen; -
eine Idee, auf die viele Menschen
immer wieder ihr Vertrauen gesetzt haben,
die aber auch immer wieder enttäuscht worden ist,
zuletzt durch Putins Überfall auf die Ukraine.

    Wollen wir als Christinnen und Christen
trotzdem an solcher Hoffnung festhalten
und uns für den Frieden einsetzen,
wo immer wir es können?

Wir müssen es jedenfalls versuchen,
so wie es Jesus
und seine Nachfolger
und Nachfolgerinnen vorgelebt haben,
wie z.B. der amerikanische Bürgerrechtskämpfer
Martin Luther King.

    Aber wir dürfen dabei
nicht naiv den Bösen das Feld überlassen,
sondern müssen den Überfallenen helfen,
heutzutage den Ukrainern.
Und trotzdem sollten wir
dabei das eigentliche Ziel,
einen wirklichen Frieden
und echte Versöhnung,
nicht aus den Augen verlieren.
So zu hoffen und zu handeln
ist sehr schwer.
Darum wollen wir
wie der alte Prophet
und der neue Liederdichter
Gott um seinen Beistand
und um Kraft bitten
für diese unsere Tage
und für unsere heutige Welt.
    Und deshalb wollen wir
am Ende
doch zusammen
mit unserem Wochenlied singen:
Auf, kommt herbei!
Lasst uns wandeln im Lichte des Herrn!

 

Jürgen Flohr

 
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