St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 5. bis 11. März 2023

04.03.2023

Andacht für die Woche
vom 5. bis 11. März 2023
über das Wochenlied
für den Sonntag der Passionszeit
(Reminiscere)
EG 94 „Das Kreuz ist aufgerichtet“
Verfasser: Superintendent i. R. Christian Klatt
(Springe)

1. Das Kreuz ist aufgerichtet,
der große Streit geschlichtet.
Dass er das Heil der Welt
in diesem Zeichen gründe,
gibt sich für ihre Sünde
der Schöpfer selber zum Entgelt.

2. Er wollte, dass die Erde
zum Stern des Kreuzes werde,
und der am Kreuz verblich,
der sollte wiederbringen,
die sonst verlorengingen,
dafür gab er zum Opfer sich.

3. Er schonte den Verräter,
ließ sich als Missetäter
verdammen vor Gericht,
schwieg still zu allem Hohne,
nahm an die Dornenkrone,
die Schläge in sein Angesicht.

4. So hat es Gott gefallen,
so gibt er sich uns allen.
Das Ja erscheint im Nein,
der Sieg im Unterliegen,
der Segen im Versiegen,
die Liebe will verborgen sein.

5. Wir sind nicht mehr die Knechte
der alten Todesmächte
und ihrer Tyrannei.
Der Sohn, der es erduldet,
hat uns am Kreuz entschuldet.
Auch wir sind Söhne und sind frei.

Dies Wochenlied gehört noch nicht
zum gängigen Repertoire
unserer Passionslieder.
Es stellt mit seinen
theologisch gehaltvollen Versen
und seiner kunstvollen,
aber herben Melodie einige Anforderungen
an unser Verstehen und Singen.
Aber es ist ein wertvoller Beitrag
zum Liedgut unserer Kirche
aus neuerer Zeit (Text 1967, Melodie 1977).
    „Das Kreuz ist aufgerichtet,
der große Streit geschlichtet.“
Der Dichter beginnt sein Passionslied
sozusagen von hinten,
mit dem Ergebnis.
Er beschreibt nicht den Leidensweg Jesu,
der mit der Kreuzigung endet.
Einzelne Stationen
auf dem Weg zum Kreuz
werden zwar in der dritten Strophe
kurz genannt.
Doch das wird nicht weiter ausgemalt
wie in den Passionsliedern der Barockzeit –
denken wir nur an Paul Gerhardts
„O Haupt voll Blut und Wunden.“
Nein, der theologische Ertrag der Passion
ist wichtig,
und der wird gleich
an den Anfang des Liedes gestellt:
„Das Kreuz ist aufgerichtet,
der große Streit geschlichtet.“
Der Liederdichter versteht das Kreuz Jesu
also als ein Zeichen der Versöhnung.
Das Wort „Versöhnung“
kommt zwar in diesem Lied nicht vor,
aber diese ersten beiden Verse
beziehen sich deutlich
auf ein Bibelwort im 2. Korintherbrief:
 „Gott war in Christus
und versöhnte die Welt mit sich selbst
und rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu
und hat unter uns aufgerichtet
das Wort von der Versöhnung
“ (2. Korinther 5, 19).
    Der Tod Jesu als ein Sühnopfer,
das Versöhnung stiftet –
das ist eine Vorstellung,
die heute vielen, auch in Theologie und Kirche,
Kopfzerbrechen, ja Ärger bereitet.
Wie kann Gott so grausam und hart sein,
dass er ein blutiges Opfer verlangt,
um seinen Zorn
über die sündige Menschheit zu besänftigen?
Doch diese Frage
geht an der Botschaft des Neuen Testaments
und an der Aussage dieses Liedes vorbei.
Denn Gott verlangt nicht ein Opfer,
sondern er opfert sich selbst:
„ … gibt sich für ihre Sünde
der Schöpfer selber zum Entgelt.“
Auch die 2. und die 4. Strophe
unterstreichen diesen Gedanken:
„ … dafür gab er zum Opfer sich.“
Und: „So hat es Gott gefallen,
so gibt er sich uns allen.“
So ist das Kreuz Jesu das Zeichen,
an dem sich die Hingabe
und Liebe Gottes zu unser aller Heil,
zum Heil der Welt (Str. 1) offenbart.
    Allerdings:  Die Liebe
will verborgen sein
(Str. 4).
In der Tat erscheint uns Gottes Liebe
oft sehr verborgen unter so viel Leid,
Gewalt und Elend in dieser Welt.
Aber gerade im Verborgenen,
im „finsteren Tal“,
in der Dunkelheit von Angst und Not
will Gottes Liebe uns stärken
und tragen und trösten.
Zum Zeichen dessen ist das Kreuz aufgerichtet
über unserer Erde,
die somit, allen unheilvollen Erfahrungen zum Trotz,
zum leuchtenden Stern des Kreuzes (Str. 2)
geworden ist.
    Die letzte Strophe
erinnert an die Tyrannei der alten Todesmächte.
Der Liederdichter Kurt Ihlenfeld (1901-1972)
weiß, wovon er redet.
Seine Tätigkeit als Redaktionsleiter
im christlichen Verlag Eckart in Berlin
hat der nationalsozialistische Staatsapparat
bald beendet.
Die letzten schlimmen Kriegstage
und die dramatische Flucht aus Schlesien
hat er später in seinem
damals berühmten Roman
„Wintergewitter“ verarbeitet.
Sein Lied  lässt etwas erahnen
von diesen Ereignissen aus dunkler Zeit.
Aber auch
von der tapferen Gewissheit des Glaubens,
die er mit seinen Versen
auch uns vermitteln will.
Die Todesmächte dieser Welt
treiben ja auch zu unserer Zeit
nach wie vor ihr Unwesen.
Aber auch unser Leben
steht unter der großen Verheißung,
die mit den letzten Worten des Liedes
ausgesprochen wird:
„Auch wir sind Söhne und sind frei.“
Denn wir gehören zu Gott
als seine Söhne und Töchter.
Und für die gilt: „Das Kreuz ist aufgerichtet.“

Bleiben Sie unter Gottes Schutz
behütet und zuversichtlich.
Ihr Christian Klatt 

 
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