St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 5. bis 11. Februar 2023

03.02.2023

Andacht für die Woche
vom 5. bis 11. Februar 2023

über das Wochenlied
für den Sonntag Septuagesimae

EG 452 „Er weckt mich alle Morgen“

Verfasser:  Superintendent i. R.  
Christian Klatt
(Springe)
 
„Er weckt mich alle Morgen,
er weckt mir selbst das Ohr.

Gott hält sich nicht verborgen,
führt mir den Tag empor,

dass ich mit seinem Worte
begrüß das neue Licht.

Schon an der Dämmrung Pforte
ist er mir nah und spricht.“


Unter den neueren Kirchenliedern
aus dem 20. Jahrhundert,
die 1994 in unser Evangelisches Gesangbuch
aufgenommen wurden,
hat dieses Morgenlied von Jochen Klepper
rasche Akzeptanz gefunden.
Schön, dass es jetzt
auch zu einem der Wochenlieder
bestimmt worden ist.
Es wird in unseren Gottesdiensten
gern und häufig gesungen.
Das mag auch an der Melodie liegen,
die der Kirchenmusiker Rudolf Zöbely
original zu diesem Lied
bald nach dessen Veröffentlichung
geschaffen hat.
Es ist eine durchaus anspruchsvolle,
aber gut singbare Komposition.

    Aber es ist auch
eine sehr gehaltvolle Dichtung.
Jochen Klepper hat sie
während der Karwoche
des Jahres 1938 geschrieben.
Wir wissen das aus seinen Tagebüchern,
die nach seinem Tod
auszugsweise mit dem Titel
„Unter dem Schatten deiner Flügel“
publiziert wurden.
Wie fast alle seiner Eintragungen
überschreibt er auch diese
vom 12. April 1938 mit einem Bibelwort,
zumeist aus den Herrnhuter Losungen.
An dem Tag waren es
Verse aus dem Prophetenbuch Jesaja
im 50. Kapitel:
„Er weckt mich alle Morgen;
er weckt mir das Ohr,
dass ich höre wie ein Jünger.
Der Herr hat mir das Ohr geöffnet;
und ich bin nicht ungehorsam
und gehe nicht zurück.
Denn ich weiß,
dass ich nicht zu Schanden werde.
Er ist nahe, der mich gerecht spricht.“

Klepper notiert dazu im Tagebuch,
dass ihm diese Worte
„den ganzen Tag
nicht aus dem Ohr gegangen waren.“

    Es ist ein ungewöhnliches Morgenlied!
Kein Dank für den Schutz
in der vergangenen Nacht,
wie sonst in den geistlichen Morgenliedern,
keine Bitte für den neuen Tag.
Klepper nimmt die Morgenstunde,
die „Pforte der Dämmerung“,
wahr als ein Reden Gottes mit uns.
Deshalb sind nicht die Augen
und nicht der Mund,
sondern die Ohren
das entscheidende Organ,
nicht nur am Morgen.
Das ist in der Tat
ein gesegneter Tagesbeginn, wenn
„ich mit seinem Worte
begrüß das neue Licht“

und wenn ich dessen gewiss sein kann:
Gott „ist mir nah und spricht“ zu mir!

    Diese theologische Grundaussage
verstärkt Klepper eindrucksvoll dadurch,
dass er auch alle vier folgenden Strophen
mit dem Personalpronomen „Er“,
also mit Gott beginnt:
„Er spricht wie an dem Tage,
da er die Welt erschuf.“-

„Er will, dass ich mich füge.
Ich gehe nicht zurück.“ -

„Er ist mir täglich nahe
 und spricht mich selbst gerecht.“ -

„Er will mich früh umhüllen
mit seinem Wort und Licht.“

    Alle diese Aussagen über Gottes Reden,
Wollen und Handeln haben nur das eine Ziel:

Dass ich getrost und gestärkt
in den neuen Tag hineingehe.
Diese Strophen sind, so finde ich,
nicht nur ein Morgenlied,
sondern wirklich ein Wochenlied,
ja ein Lebenslied!
Es endet mit den schönen Versen:
„Sein Wort will helle strahlen,
wie dunkel auch der Tag.“

    Die Tage sind damals immer dunkler geworden
für Jochen Klepper,
der mit einer verwitweten jüdischen Frau
verheiratet war,
von der er sich trotz massiven Drucks
von Seiten der Nazis nicht getrennt hat.
Auch heute erleben viele Menschen viel Dunkelheit,
durch Krieg und Zerstörung,
durch Hunger oder schwere Krankheit.
    In seinem Adventslied hatte Klepper gedichtet:
„Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.“
Hell wird es bei und in uns,
wenn wir Gottes Wort in uns aufnehmen,
mit unseren Ohren
und mit unserem Herzen.


Ich wünsche Ihnen helle und behütete Tage
in dieser neuen Woche!
Ihr Christian Klatt

 
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