St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 27. November bis 3. Dezember 2022

28.11.2022

Andacht für die Woche
vom 27. November bis 3. Dezember 2022
zum Wochenlied
„Nun komm, der Heiden Heiland“ (EG 4)
Verfasser: Pfarrer in Ruhe Jürgen-Peter Lesch
(
Springe – früher Pfarrer der EKD in Hannover


Jesus Christus – Heiland und Retter zugleich

Liebe Leserin, lieber Leser,

nun beginnt also wieder die Adventszeit.
Es ist gut, dass wir uns
auch nach der oft genannten Zeitenwende
wieder darauf besinnen können:
Es ist Advent.
Das heißt doch:
Wir werden auch in diesem Jahr
Weihnachten feiern.
Zwar wird manches anders sein,
doch die Weihnachtsbotschaft bleibt uns,
ja, sie wird vielleicht wieder klarer
als in vielen Jahren zuvor.
    Die Adventszeit beginnt mit einer Bitte:
„Nun komm, der Heiden Heiland“!
Der Heiland als Bezeichnung
für Jesus Christus klingt fremd und altertümlich.
Verständlicher ist für uns der „Retter“,
wie Jesus im bekannten Weihnachtslied
„Stille Nacht, heilige Nacht“ bezeichnet wird:
„Christ, der Retter, ist da“.
    Jesus Christus ist beides:
Retter und Heiland –
und noch viel mehr.
Der Retter ist uns nah.
Rettung brauchen wir
bei unmittelbarer Gefahr.
Früher stand an den Fahrzeugen der Feuerwehr:
„retten, bergen, löschen, schützen“.
Das sollte deutlich machen,
dass es bei den Einsätzen der Feuerwehr
um unmittelbare Hilfe geht.
Ohne Diskussion darüber,
wer welche Schuld an einem Unglück hat.
Ohne Zögern und Ansehen der Menschen,
die Hilfe brauchen.
Ohne vorherige Prüfung,
wer denn für einen Einsatz zahlt.
    Dieses Retten geschieht
nicht nur in der Feuerwehr.
Es geschieht jeden Tag
in unseren Städten und Gemeinden.
Es geschieht oft
und ist meistens nicht sehr offensichtlich.
Menschen helfen einander.
Sie tun das, ohne nachzufragen
und ohne zu urteilen.
Wer Hilfe braucht,
soll Hilfe bekommen.
Das ist eigentlich selbstverständlich.
Christinnen und Christen tun dies auch,
weil sie einen Retter,
ihren Retter, in Jesus Christus sehen.
Er hilft ohne Ansehen der Person,
er fragt nicht nach Frömmigkeit
und Rechtschaffenheit.
Er hilft in seiner Güte und Barmherzigkeit,
ohne Rücksicht auf menschliche Verdienste
und Würdigkeit.
    Jesus Christus ist nicht nur Retter,
er ist auch der Heiland.
Ihn wünschen wir uns sehnlich herbei.
So heißt es im Adventslied Martin Luthers:

Nun komm, der Heiden Heiland,
der Jungfrauen Kind erkannt,
dass sich wunder alle Welt,
Gott solch Geburt ihm bestellt.

Er ging aus der Kammer sein,
dem königlichen Saal so rein,
Gott von Art und Mensch, ein Held;
sein’ Weg er zu laufen eilt.

Sein Lauf kam vom Vater her
und kehrt wieder zum Vater,
fuhr hinunter zu der Höll
und wieder zu Gottes Stuhl.

Dein Krippen glänzt hell und klar,
die Nacht gibt ein neu Licht dar.
Dunkel muss nicht kommen drein,
der Glaub bleib immer im Schein.

Lob sei Gott dem Vater g’tan;
Lob sei Gott seim ein’gen Sohn,
Lob sei Gott dem Heilgen Geist
immer und in Ewigkeit.

Jahrhunderte lang war dieses Lied
in der lutherischen Kirche
das meistgesungene Adventslied.
Vielen von uns
fällt der Zugang zu diesem Lied nicht leicht,
ist doch der von Martin Luther geschaffene Text
recht spröde und nur schwer verständlich.
Und doch ist diese Bitte,
dieses Gebet so wichtig.
„Nun komm, der Heiden Heiland.
Komm, Jesus, komm!“
Damit beginnt das neue Kirchenjahr,
beginnt die Adventszeit in unserer Kirche.
Wie nötig, wie bitter nötig
haben wir den Heiland Jesus Christus
in unserer Welt.
Er soll uns helfen, unsere Welt zu heilen.
Eine Welt, in der ständig neue Gräben
zwischen Völkern und Nationen,
zwischen Religionen
und Konfessionen aufbrechen.
Eine Welt, in der Recht und Gerechtigkeit
unterdrückt und verraten werden.
Wir bitten darum,
dass Jesus als Heiland der Heiden,
also als Heiland der ganzen Welt
kommen möge,
um Menschen miteinander zu versöhnen.
   
Jesus weiß um unsere zerrissene Welt.
‚Er hat sie erlebt und erlitten:
„Sein Lauf kam vom Vater her
und kehrt wieder zum Vater,
fuhr hinunter zu der Höll
und wieder zu Gottes Stuhl.“
    Wir hoffen auf das Wunder,
von dem im Lied die Rede ist:
„dass sich wunder alle Welt,
Gott solch Geburt ihm bestellt“.
Wir lassen uns daran erinnern,
dass im Kommen Jesu
aller Welt das Heil Gottes zugesagt ist.
Aller Welt ist zugesagt,
dass sie nicht aus den Fugen geraten soll.
  
Diese Zusage des Heils Gottes
für alle Welt auszurichten,
ist die Aufgabe derer,
die an Jesus als den König der Welt glauben.
Es ist die Aufgabe der Kirche.
Aber wie wir nun einmal unseren Glauben
niemals als einen festen Besitz haben,
so haben wir auch Jesus nicht.
    Wie unser Glaube immer wieder
Zweifeln ausgesetzt ist,
wie er angesichts bedrückender Erfahrungen
Schwankungen erlebt,
so empfinden wir auch
eine unterschiedliche Nähe zu Jesus,
dem von uns als Heiland Geglaubten.
Mal ist er uns ganz nah,
mal ist er weit weg.
Ab und zu können wir es sehen:
„Dein Krippen glänzt hell und klar,
die Nacht gibt ein neu Licht dar“.
   
Als Kirche Jesu sollen
und müssen wir täglich neu
um sein Kommen bitten.
Als Kirche Jesu dürfen wir
aber auch darauf vertrauen,
dass er täglich zu uns kommt
und seiner Kirche den Weg zeigt.
Den Weg, den sie gehen muss,
wenn sie aller Welt
das Heil Gottes glaubhaft zusagen will.
So heißt es im Lied:
„Dunkel muss nicht kommen drein,
der Glaub bleib immer im Schein“.
    
Mit der Bitte
„Nun komm, der Heiden Heiland!“
beginnt die Adventszeit.
Wir gehen in den nächsten Wochen
den Weg hin zum Weihnachtsfest
mit dieser Bitte.
Und wir hoffen darauf,
dass wir am Heiligen Abend
die Freudenbotschaft hören
und sehen und erfahren dürfen:
„Fürchtet euch nicht!
Siehe, ich verkündige euch große Freude,
die allem Volk widerfahren wird;
denn euch ist heute der Heiland geboren,
welcher ist Christus, der Herr,
in der Stadt Davids.“
   
Das ist Gottes Zusage an uns:
Der Heiland kommt, er ist da,
damit wir gerettet werden und heil werden –
auch und gerade in heilloser Zeit.
So können wir einstimmen:
„Lob sei Gott dem Vater g’tan;
Lob sei Gott seim ein’gen Sohn,
Lob sei Gott dem Heilgen Geist
immer und in Ewigkeit“.

Ich wünsche Ihnen
eine froh machende und gesegnete Adventszeit.
Jürgen Peter Lesch

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Den Text für das Lied
„Nun komm, der Heiden Heiland“
hat Martin Luther im Jahr 1523 geschrieben.
Die Vorlage dafür ist der Weihnachtshymnus
„Intende qui regis Israel“,
der – so lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen –
vom Kirchenlehrer und Bischof
Ambrosius von Mailand (339 bis 397 n. Chr.) stammt.
In der Entstehungszeit des Hymnus im 4. Jahrhundert
herrschte in der Kirche eine Auseinandersetzung darüber,
ob Jesus Christus göttlicher und menschlicher Natur sei.
Die Auffassung der völligen Göttlichkeit Christi kommt
in diesem Hymnus
wie in dem gleichzeitig entstandenen
Nicänischen Glaubensbekenntnis
zum Ausdruck („wahrer Gott vom wahren Gott“).

    Der Hymnus beginnt
mit einem Zitat des Psalms 80:
„Du Hirte Israels, höre,
der du Josef hütest wie Schafe!
Erscheine, der du thronst
über den Cherubim,
vor Ephraim, Benjamin und Manasse!
Erwecke deine Kraft
und komm uns zu Hilfe!“ (Ps 80, 2-3).

    Luther beginnt sein Lied
mit der Übertragung der zweiten Strophe:
„Veni, redemptor gentium … “ –
„Komm, du Erlöser der Heiden“.
Vermutlich hatte bereits in Luthers Vorlage
die erste Strophe des Ambrosius-Hymnus gefehlt.
In Luthers Lied
folgt die Übersetzung der Strophen 3 bis 8
des lateinischen Textes.
Luther selbst fügt am Ende
eine neue Strophe mit dem Lob
Gott des Vaters, des Sohnes
und des Heiligen Geistes an.
In das Evangelische Gesangbuch
sind allerdings nur die Übersetzungen
der Strophen 5, 6 und 8 übernommen worden,
an die Luthers neue Schlussstrophe
angefügt ist.

„Nun komm, der Heiden Heiland“
war lange Zeit
das erste Lied im Evangelischen Gesangbuch.
Es war eine Art Erkennungszeichen dafür,
dass nun die Adventszeit beginnt.
Seine besondere Bedeutung
hat das Lied dadurch,
dass hier ein altkirchlicher Hymnus übernommen ist,
der von Martin Luther übersetzt wurde.
Dazu kommen die Einprägsamkeit des Textbeginns
und die Qualität der Melodie.
Diese hat Martin Luther
aus einer mittelalterlichen
gregorianischen Singweise entwickelt.
Sie wurde Grundlage
zahlreicher Instrumental- und Chorwerke,
darunter von Vertonungen
durch Johann Sebastian Bach.

 
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