St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 26. Mai bis 4. Juni 2022

25.05.2022

Andacht für die Woche
vom 26. Mai bis 4. Juni 2022
über das Lied zum Himmelfahrtstag
„Jesus Christus herrscht als König“ (EG 123)
Verfasser:
Superintendent in Ruhe Wilhelm Niedernolte
(Eldagsen)


1. Jesus Christus herrscht als König,
alles wird ihm untertänig,
alles legt ihm Gott zu Fuß.
Aller Zunge soll bekennen,
Jesus sei der Herr zu nennen,
dem man Ehre geben muss.

2. Fürstentümer und Gewalten,
Mächte, die die Thronwacht halten,
geben ihm die Herrlichkeit;
alle Herrschaft dort im Himmel,
hier im irdischen Getümmel
ist zu seinem Dienst bereit.

3. Gott ist Herr, der Herr ist Einer,
und demselben gleichet keiner,
nur der Sohn, der ist ihm gleich;
dessen Stuhl ist unumstößlich,
dessen Leben unauflöslich,
dessen Reich ein ewig Reich.

4. Gleicher Macht und gleicher Ehren
sitzt er unter lichten Chören
über allen Cherubim;
in der Welt und Himmel Enden
hat er alles in den Händen,
denn der Vater gab es ihm.

5. Nur in ihm, o Wundergaben,
können wir Erlösung haben,
die Erlösung durch sein Blut.
Hört's: das Leben ist erschienen,
und ein ewiges Versühnen
kommt in Jesus uns zugut.

6. Jesus Christus ist der Eine,
der gegründet die Gemeine,
die ihn ehrt als teures Haupt.
Er hat sie mit Blut erkaufet,
mit dem Geiste sie getaufet,
und sie lebet, weil sie glaubt.

7. Gebt, ihr Sünder, ihm die Herzen,
klagt, ihr Kranken, ihm die Schmerzen,
sagt, ihr Armen, ihm die Not.
Wunden müssen Wunden heilen,
Heilsöl weiß er auszuteilen,
Reichtum schenkt er nach dem Tod.


8. Zwar auch Kreuz drückt Christi Glieder
hier auf kurze Zeiten nieder,
und das Leiden geht zuvor.
Nur Geduld, es folgen Freuden;
nichts kann sie von Jesus scheiden,
und ihr Haupt zieht sie empor.

9. Ihnen steht der Himmel offen,
welcher über alles Hoffen,
über alles Wünschen ist.
Die geheiligte Gemeine
weiß, dass eine Zeit erscheine,
da sie ihren König grüßt.

10. Jauchz ihm, Menge heilger Knechte,
rühmt, vollendete Gerechte
und du Schar, die Palmen trägt,
und ihr Zeugen mit der Krone
und du Chor vor seinem Throne,
der die Gottesharfen schlägt.

11. Ich auch auf der tiefsten Stufen,
ich will glauben, reden, rufen,
ob ich schon noch Pilgrim bin:
Jesus Christus herrscht als König,
alles sei ihm untertänig;
ehret, liebet, lobet ihn!


Liebe Leserin. Lieber Leser,

auch wenn wir schon lange
keine Monarchie mehr haben
und auch keine haben wollen:
was ein König ist, wissen wir alle.
Anders als heutige Könige
hatten biblische Könige absolute Macht,
aber gute Könige
gebrauchten sie zum Wohl des Volkes.
Als es in Deutschland
noch Fürstentümer und Königreiche gab,
hat ein württembergischer Pfarrer
1755 ein Lied geschrieben,
das wir an Himmelfahrt singen:
„Jesus Christus herrscht als König“.

     Dieses Lied hat eine Bewegung in sich -
weniger innerhalb der Melodie,
als vielmehr innerhalb der Textstrophen.
Elf Strophen sind hier abgedruckt,
und sie beginnen ganz oben
und gehen nach ganz unten.
Eben haben wir
mit dem himmlischen Thronsaal begonnen:
Macht und Herrschaft
und Himmel und zur Rechten Gottes.
Höher geht es nicht.
Die letzte Strophe endet ganz unten:
bei mir auf der tiefsten Stufe.
Tiefer geht es auch nicht.
Diese Bewegung von oben nach unten
mag überraschen.
Wir sind ja wohl nicht das letzte.
Nein, aber auch nicht das Maß
und nicht der Anfang aller Dinge,
und manchmal ist es auch ganz richtig,
nicht bei uns und unseren Gefühlen
stehen zu bleiben,
sondern den Blick zu heben
und von Gott zu reden.
Darum geht es hier.
     Philipp Friedrich Hiller,
so hieß der württembergische Pfarrer,
der das Lied gedichtet hat,
beginnt seinen Hymnus
nicht mit dem irdischen Jammertal
und auch nicht
mit einer Klage über unsere Armseligkeit
und Verlassenheit,
sondern mit dem Thronsaal Gottes.
Er redet nicht vom lieben Jesus,
der uns nahe kommt,
sondern vom Weltenherrscher,
der über den Engeln und Mächten steht.
Von dem reden wir viel seltener.
Aber manchmal ist das notwendig.
Gerade, wenn wir bei uns hängenbleiben,
nur auf uns schauen,
leere Kirchenbänke beklagen
oder das zunehmende Desinteresse
am Glauben.
     Es ist notwendig,
wenn wir über unsere Welt klagen,
 an Europa zweifeln
oder an der Weltwirtschaft
und dem Krieg in der Ukraine verzweifeln.
Wenn wir von einem Krisenland
zum nächsten schauen
und nirgends wird es besser.
Aber wir können uns
doch nicht um alles kümmern?
Syrien und die Ukraine,
der Jemen und der Sudan -
was denn noch?
Es ist notwendig,
nach oben zu schauen,
wenn wir Sorge um unseren Planeten haben:
der Klimawandel und die Ressourcen,
die wir verbrauchen.
Da kommt man sich
manchmal tatsächlich verlassen vor,
ratlos, weil wir keine Lösungen haben,
und mit einem schlechten Gewissen,
weil wir davon vieles mit verursacht haben
und aus Hilflosigkeit
manchmal schlicht gar nichts machen.
Wenn uns also die Wirklichkeit dieser Welt
so mächtig vorkommt,
dass uns die Wirklichkeit Gottes
dagegen zu verschwinden droht -
dann haben wir es wirklich bitter nötig,
dass wir unseren Blick
nach oben ausrichten
und dorthin blicken,
wo regiert wird.
 „Gott ist Herr, der Herr ist Einer.
Und dem selben gleichet keiner“.

Das können wir gerne singen -
aber wen kümmert das?
Die Welt geht ihre eigenen Wege
und gelenkt werden sie
doch von anderen, oder?
Jesus regiert? Na ja. 
Regiert uns vielleicht nicht längst das Geld,
also globale Konzerne
oder wirtschaftliche Interessen?

Wie möchten wir es denn gerne spüren?
Am liebsten doch so,
dass er alles gut macht
und es uns dabei gut geht.
Dass er uns bewahrt und beschützt
und irgendwie Frieden schenkt -
ohne Mühen und Kosten.
Bisschen naiv und bisschen bequem,
so als seien wir die Prüfkommission
für Gottes Regentschaft.
     Aber was bedeutet
dann so eine Glaubensaussage:
„Jesus Christus herrscht als König?“
Es ist eine Erinnerung,
dass alles hier auf Erden vergänglich ist.
Die Mächtigen werden abgelöst.
Und wenn wir Christus
als Herrscher feiern,
erinnern wir uns und andere daran,
dass das, was im Leben trägt,
von Gott kommt.
Wir erinnern,
dass das, worauf wir uns stützen können,
nicht von uns gemacht wird,
sondern von Gott geschenkt.
Wir erinnern uns daran,
dass alle menschliche Macht begrenzt ist,
dass Glück und Macht vergänglich sind,
manchmal ganz schnell,
und dass wir uns nicht täuschen sollten
durch das, was uns Menschen möglich ist.
     „Jesus Christus herrscht als König“
ist auch ein trotziger Gesang
von uns Christen und Christinnen,
manchmal den vermeintlich Mächtigen
frech ins Gesicht gesungen.
Jesus Christus herrscht,
und das stellt weltliche Herrschaft
immer in seinen Schatten.
Manchmal ist es befreiend zu singen.
Mit der „Herrschaft Christi“
fangen wir gedanklich
eher bei denen „da oben“ an,
die Mächtigen,
die sonst keiner
in ihre Schranken weisen kann.
Dass Jesus Christus herrscht,
bedeutet aber auch,
dass er etwas in meinem Leben
zu sagen hat,
dass er ein Mitspracherecht
bei meinen Entscheidungen hat.
Nun sind wir aber Menschen,
die sich ungern
hinein reinreden lassen wollen
in ihr Leben.
Die Herrschaft Jesu Christi
über mein Leben anzuerkennen,
heißt aber nun gerade nicht
in ein vermeintlich demütiges Dienergehabe
zu verfallen,
den Verstand abzugeben
und den lieben Gott alles machen zu lassen.
Die Herrschaft Christi beginnt dort, wo
„Sünder ihm die Herzen,
wo Kranke ihm die Schmerzen,
wo Arme ihm ihre Not“
geben.
Herrschaft Christi beginnt also,
wo die Angst weicht
und ich erhobenen Hauptes
als Glied an seinem Leib in Freiheit lebe.
     „Die Gemeinde lebt,
weil sie glaubt“
nennt das Strophe 6.
Das ist die Gemeinschaft,
in der Jesu Königsherrschaft
erfahrbar werden soll.
Die Gemeinde lebt, weil sie glaubt.

Schön zu hören -
allerdings auch eine Anforderung.
Denn glauben müssen wir,
um als Gemeinde lebendig zu bleiben.
Uns nach dem Himmel
strecken müssen wir,
um uns nicht zu bequem
auf Erden einzurichten.
Auf Christus schauen müssen wir,
um uns nicht entmutigen zu lassen
von so vielem,
was wir auf Erden nicht verhindern können.
Himmelfahrt lenkt unseren Blick nach oben -
so wie das Lied es hier macht.
Das macht uns nämlich nicht klein,
aber die Bewegung
geht von oben nach unten,
weil Jesus wirklich König ist,
und weil wir hier unten
wirklich klein und menschlich sind.
Aber die Bewegung geht zu uns hin,
um unseren Blick nach oben zu lenken.
Himmelfahrt lenkt den Blick nach oben
und dann können wir
wieder erhobenen Hauptes weitergehen.
Nicht hochmütig, aber hoffnungsvoll,
nicht angstvoll, sondern mutig,
nicht kleingläubig, sondern auf Christus vertrauen -
und dann das Leben gestalten.
     „Ihnen steht der Himmel offen“ (Strophe 9)
und der ist höher
als unsere Wünsche und Hoffnungen.
Manchmal ist das schwer zu schlucken,
aber letzten Endes
tröstet es mich doch.
Was ich nicht verstehe
oder was mich bedrückt
„Kreuz drückt Christus Glieder“,
sagt der Liederdichter dazu,
das kann ich in seine Hand legen.
Ich kann und muss in dieser Welt
nicht alles verstehen
und erst recht nicht alles tragen.
Das hilft mir,
mich auf das zu konzentrieren,
was ich wirklich
in seinem Sinne schaffen kann,
damit wahr wird, was der Liederdichter singt:
„Jesus Christus herrscht als König,
alles wird ihm untertänig.“

 

Bleiben Sie behütet!

Wilhelm Niedernolte

 
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