St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 21. Bis 27.August 2022

22.08.2022

Andacht für die Woche vom 21. Bis 27.August 2022
zum Wochenlied „Lobt und preist die herrlichen Taten Gottes“ (EG 429)
Verfasser: Pfarrer in Ruhe Jürgen-Peter Lesch
(
Springe – früher Pfarrer der EKD in Hannover)

Gott loben – trotz alledem.

Liebe Leserin, lieber Leser,
„So spricht der Herr:
Ich schuf den Himmel,
ich schuf die Erde,
schuf sie zur Wohnung
für alle Menschen,
doch nicht zur Wüste.

Ich gieße aus über die Menschen
Geist aus der Höhe,

dann wird die Steppe,
dann wird die Wüste
fruchtbarer Garten.

An diesen Worten der vierten und fünften Strophe
des Wochenliedes bleibe ich
beim ersten Lesen des Wochenlieds hängen.
Die Hoffnung, dass aus Wüste und Steppe
ein fruchtbarer Garten wird,
kann ich in dieser Zeit,
in der Menschen von Tag zu Tag
auf Regen warten und hoffen,
gut nachvollziehen.
   Doch es geht um mehr
als einen Ort zum Wohnen, eine Heimstatt,
und ein Land, das seine Bewohner ernährt.
Das Lied nimmt eine Zusage auf,
die uns durch die Propheten im Alten Testament
vermittelt wird: „So spricht der Herr“.
Das sind Worte, die über
unseren menschlichen Horizont hinausgehen.
Schon in der ersten Strophe heißt es:

„So spricht der Herr:
Neu will ich machen
Himmel und Erde.

Niemand wird nach dem Alten
sich sehnen,
es ist vergessen.

Einen neuen Himmel und eine neue Erde –
diese Zusage lesen wir
in der Offenbarung des Johannes (Offb 21,1.5).
Die Worte erinnern zugleich daran,
dass durch Jesus bereits Neues geworden ist
und das Alte vergangen ist:
„Ist jemand in Christus,
so ist er eine neue Kreatur;
das Alte ist vergangen,
siehe, Neues ist geworden“ (2. Kor 5,17).
Die Konsequenz dieses Wandels
beschreibt die zweite Strophe:
Jubel wird sein in allen Ländern,
Jubel und Freude,
denn ich will bauen
die Stadt der Menschen,
die Stadt des Friedens.

Wieder werden
Verheißungen Gottes aufgenommen,
wie sie durch die Propheten
im Alten Testament
übermittelt werden.
Die Stadt des Friedens,
das ist Jerusalem.
Die Stadt,
nach der sich die verschleppten Juden sehnten,
als sie „an den Wassern von Babylon“
(By the rivers of Babylon) saßen:
„Vergesse ich dein, Jerusalem,
so werde meine Rechte vergessen“ (Ps 137,5)
ist die Versicherung Gottes,
dass er diese seine Stadt
nicht vergessen wird.
     Die Erinnerung an Jerusalem
nehmen wir Christen am „Israelsonntag“ auf.
Er ist der „Gedenktag der Zerstörung Jerusalems“.
Damit schließt er
an den jüdischen Erinnerungs-
und Fastentag Tischa Be’Aw an.
An diesem Tag wurde
und wird an die Zerstörungen
des ersten und des zweiten Tempels
in Jerusalem erinnert:
des salomonischen Tempels um 587/586 v. Chr.
und des von Herodes restaurierten Tempels
durch den Römer Titus im Jahr 70 n. Chr.
Nun ist Jerusalem –
zwar ohne den Tempel –
wieder aufgebaut worden.
Doch verheißen bleibt ein Neues Jerusalem,
eine Stadt, in der kein Tempel mehr erforderlich ist,
denn Gott selbst ist in ihr.
Diese Stadt beschreibt wiederum
die Offenbarung des Johannes (Kap 21).
Eine weitere Verheißung aus der Offenbarung (Offb 21,3)
nimmt das Lied auf in der dritten Strophe:

Friede wird sein für alle Menschen,
Friede und Freiheit,
und diese Welt
wird endlich bewohnbar
für einen jeden.

Weil Gott selbst in der Welt wohnt,
wird sie endlich für jeden bewohnbar.
Doch das ist nicht nur ein Bild
für die ferne Zukunft.
Es geht um das Hier und Jetzt.
 „Friede und Freiheit“
stehen sowohl im Alten
wie im Neuen Testament
im Zentrum der Geschichte Gottes
mit den Menschen
und der Frohen Botschaft des Evangeliums.
   Doch zurück zur Steppe und zur Wüste.
In der vierten Strophe
ging es um einen Rückblick auf die Schöpfung.
Die Erde als eine Wohnung für den Menschen.
Das ist sowohl ein Geschenk, eine Gabe,
wie eine Aufgabe.
Die Erde ist dem Menschen anvertraut;
seine Aufgabe ist es,
die Schöpfung zu bewahren.
Dabei sind die Menschen nicht allein.
Gottes Geist will und soll unter ihnen wirken.
Die Hoffnung,
ja der Glaube, dass Gottes guter Geist
uns Menschen begeistern will,
vereint Juden und Christen.
So nimmt Paulus in seiner Pfingstrede
Worte aus dem Buch des Propheten Joel auf
und sagt:
„Ich werde meinen Geist
über alle Menschen ausgießen.
Eure Söhne und Töchter
werden als Propheten reden.
Eure jungen Männer
werden Visionen schauen,
und eure Alten
von Gott gesandte Träume haben.
Über alle, die mir dienen,
Männer und Frauen,
werde ich in diesen Tagen
meinen Geist ausgießen.“ (Apg 2,17+18; Joel 3,1+2)
  
Daran schließt in der letzten Strophe
des Wochenliedes
eine weitere Verheißung an:
„Dann wohnt das Recht unter den Menschen
und schafft den Frieden,
für alle Völker –
Spruch unsers Gottes –
sichere Zukunft.“
  
Die „sichere Zukunft“
liegt nicht in weiter Ferne.
Sie kommt aber auch nicht von selbst.
Auf sie hinzuarbeiten
ist ein weiterer Auftrag an uns Menschen.
Es gilt nicht:
Der liebe Gott wirds schon machen.
Den „lieben Gott“ gibt es nicht,
denke ich.
Gott ist vielmehr ein liebender,
den Menschen zugewandter Gott.
In seiner Liebe
fordert er uns Menschen heraus,
tätig zu werden,
uns zu engagieren für unsere Welt.
  
Am Anfang wie am Ende des Liedes
steht ein Lobpreis:

Lobt und preist
die herrlichen Taten des Herrn,

Halleluja,
Halleluja!“


Die herrlichen Taten Gottes –
das sind Taten der Rettung
und der Befreiung.
Rettung aus unmittelbarer Gefahr
und Befreiung aus Unterdrückung
und von Angst.
Immer wieder wird im Alten
wie im Neuen Testament
an diese herrlichen Taten erinnert.
Das beginnt mit der Befreiung
des Volkes Israel
aus der Sklaverei in Ägypten.
Die Prophetin Mirjam singt ein Loblied,
als die Israeliten vor den ägyptischen Soldaten
gerettet worden waren.
„Lasst uns dem HERRN singen,
denn er ist hoch erhaben;
Ross und Reiter
hat er ins Meer gestürzt.“ (2. Mose/Exodus 15,21)
Und es endet nicht
mit den Rettungstaten von Jesus Christus,
über die es im Neuen Testament heißt
„Und alles Volk freute sich
über alle herrlichen Taten,
die durch ihn geschahen“ (Lk 13,17).
Die Freude über die herrlichen Taten Gottes,
die in dem Reden und Handeln von Jesus
immer wieder neu Gestalt gewinnen,
kann und soll uns Mut machen,
unser Leben, unsere Erde
und unsere Welt
aus dem Geist Gottes heraus
neu zu gestalten.
Wir sind dem,
was auf unserer Erde geschieht,
nicht hilflos ausgeliefert.
Vielmehr wurde uns Phantasie
und Geist gegeben,
die täglichen Herausforderungen
anzunehmen
und so weit als möglich
zu bewältigen.
Das kann Gottes Geist
in uns bewirken.
Dass wir diese Begeisterung spüren können,
wünsche ich uns allen.

Jürgen-Peter Lesch
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Der Text des Liedes
stammt von Diethard Zils.
Die Melodie
wurde von Lucien Deiss komponiert.
   Diethard Zils (geb. 1935)
gehört dem römisch-katholischen Orden
der Dominikaner an.
Er schuf wie viele andere
in der 1960er-Jahren des letzten Jahrhunderts
in ökumenischer und internationaler Zusammenarbeit
neue geistliche Lieder.
Überdies war er
an der Einführung von „Beatmessen“ beteiligt,
die auf Kirchentagen
und vielen anderen Veranstaltungen
aufgeführt wurden.
In das Evangelische Gesangbuch
wurde neben der Nr. 429
das Lied
„Abraham, Abraham, verlass dein Land“ (EG 311)
aufgenommen.
Sehr bekannt sind auch seine Lieder
„Wir haben Gottes Spuren festgestellt“
und
„Lasst uns den Weg der Gerechtigkeit gehen“.
  
Lucien Deiss (geb. 1921, gest. 2007)
war ein französischer Priester
der Congrégation du Saint-Esprit
(Orden des Heiligen Geistes)
Als Bibelwissenschaftler
lehrte er die biblischen Fächer Exegese
und Dogmatik.
Er war Liturgieberater beim 2. Vatikanischen Konzil
und engagierte sich
für die Liturgiebewegung
der römisch-katholischen Kirche.
 Als Bibelwissenschaftler
beteiligte er sich an der
französischen ökumenischen Übersetzung der Bibel,
der TOB (Traduction œcuménique de la Bible en français).
Lucien Deiss war Komponist
und Dichter sehr vieler liturgischer Gesänge
und Kirchenlieder.
Eine große Zahl von ihnen
wurde in andere Sprachen übersetzt.
 Die Bände 1 und 2
der Biblical Hymns and Psalms
mit etwa 100 dieser Lieder
sind in mehr als einer Million Exemplaren
veröffentlicht worden.

 
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