St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 19.3. bis 25.3.2023

19.03.2023

Andacht für die Woche
vom 19.3. bis 25.3.2023
über das Evangelium
des Sonntags Laetare (19.3.2023)
Verfasser:
Superintendent in Ruhe Wilhelm Niedernolte
(Eldagsen)
 

Johannes 12, 20-24

Es waren aber einige Griechen
unter denen, die heraufgekommen waren,
um anzubeten auf dem Fest.
Die traten zu Philippus,
der aus Betsaida in Galiläa war,
und baten ihn und sprachen:
„Herr, wir wollen Jesus sehen.“
Philippus kommt und sagt es Andreas,
und Andreas und Philippus sagen’s Jesus.
Jesus aber antwortete ihnen und sprach:
„Die Stunde ist gekommen,
dass der Menschensohn verherrlicht werde.
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch:
Wenn das Weizenkorn
nicht in die Erde fällt und erstirbt,
bleibt es allein;
wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

Menschen kommen zu Philippus
und sagen: „Wir wollten Jesus gerne sehen.“
Sie hatten von ihm gehört,
davon, wie er Menschen faszinieren kann,
wie er predigt und Menschen gesund macht.
Und die Krönung wäre natürlich gewesen,
wenn er in ihrer Gegenwart
mal etwas gezeigt hätte,
vielleicht eine Krankenheilung
oder ein Naturwunder,
irgendetwas Sensationelles,
was sie ihren Enkeln
noch hätten erzählen können.

    Die Antwort Jesu
ist alles andere als sensationell.
Er gibt ihnen ein Gleichnis, ein Bildwort,
das sie in ihr Leben übersetzen müssen,
um es zu verstehen.
 „Wenn das Weizenkorn
nicht in die Erde fällt und erstirbt,
bleibt es allein;
wenn es aber erstirbt,
bringt es viel Frucht“.

Er redet in diesem Bild von sich selbst
und von seinem weiteren Weg.
Er wird sterben
und in der Erde zerfallen
wie ein Weizenkorn.
Man wird ihn nicht mehr sehen
und viele werden denken,
er sei verfault,
nicht mehr existent, erledigt,
und seine Sache sei gleich mit erledigt.
Aber dann wird er auferstehen,
in seinen Jüngern
und durch seine Jünger weiterleben,
so wie ein verfaultes Weizenkorn
viele neue Weizenkörner hervorbringt.
Eins ist ohne das andere
allerdings nicht zu haben:
Ohne Sterben keine neue Frucht,
ohne Tod kein Leben,
ohne Kreuzigung keine Auferstehung.

    Jesus beschreibt
und deutet mit dem Bild
vom Weizenkorn
seinen eigenen Weg
und den Weg
seiner Jüngerinnen und Jünger.
Es ist der Weg,
auf dem Altes zu Ende geht
und neues anfängt,
der Weg von Tod und Leben.
Und es ist ein Bild
für die Bereitschaft zur Hingabe,
zum Opfer.

    Gibt es auf unserem Weg
ebenfalls die Bereitschaft zum Opfer,
zur Hingabe?
Ja, die Bereitschaft gibt es.
Sich opfern, sich einer Sache
oder einem Menschen hingeben
ist einerseits etwas wunderschönes,
hat aber auch ihre Gefahren.

    Jesus ist in diese Welt gekommen,
um sich hinzugeben,
die Menschen spüren zu lassen,
in seiner Person
ist Gott selbst ihnen ganz nah,
die Nähe Gottes macht sie gesund,
stärkt Leib und Seele.
Diesen Weg der Hingabe
ist Jesus konsequent zu Ende gegangen,
hat dafür sein Leben riskiert
und den Tod erlitten.
Und weil er bereit war
zur völligen Hingabe,
sogar zum Sterben,
haben so viele in ihm
und durch ihn ihr Leben gefunden.

    Wer bereit zur Hingabe ist,
lebt aber auch nicht ohne Risiko.
Die Mutter, die wegen ihrer Kinder
auf die Ausübung ihres Berufs verzichtet,
riskiert einen Karriereknick.
Väter, die bereit sind,
ihr Einkommen
mit einer fünfköpfigen Familie zu teilen,
riskieren bei Arbeitslosigkeit
zu Sozialhilfeempfängern zu werden.
Die Tochter,
die ihre alten Eltern pflegt,
steht in der Gefahr,
ihrerseits zusammenzubrechen.
Hingabe kann auch gefährlich werden,
dann, wenn es zu Selbstaufgabe wird.
Es gehört auch
zur Weisheit unseres Glaubens,
dass unsere Hingabe
Grenzen kennt.
Weil Christus
sich total hingegeben hat,
müssen wir uns nicht mehr
total hingeben bis zur Selbstaufgabe.
Er hat es für uns getan
und stellvertretend für uns,
damit unsere Bereitschaft zur Hingabe
nicht gegen uns
verwandt werden kann,
damit wir uns
nicht missbrauchen lassen.

    Das Bild vom Weizenkorn
ist aber nicht nur ein Bild
für die Fähigkeit
und Bereitschaft zur Hingabe,
sondern auch ein Bild dafür,
dass Altes zu Ende geht
und Neues anfängt.

Jesus musste sterben,
damit Christus auferstehen konnte,
um seinen Siegeszug
rund um die Welt anzutreten.
Altes muss vergehen,
damit Neues anfangen kann.

    Und wenn wir dann
im Laufe von Jahren und Jahrzehnten
gelernt haben,
liebe Menschen loszulassen,
uns selbst loszulassen
und das sterben zu lassen,
was absterben muss,
dann können wir vielleicht
auch loslassen,
wenn wir diese Welt verlassen müssen,
dann können wir
vielleicht unserem Tod mit Hingabe
und Kraft wie das Weizenkorn
und mit der Gewissheit
auf neues Leben bei Gott entgegen gehen.
Wir Christen wissen
vom Tod mitten im Leben,
von vielen kleinen und großen Abschieden,
von verpassten Gelegenheiten,
von Enttäuschungen,
von Endgültigkeit.
Wir wissen aber auch
vom Leben mitten im Tod.
Jeden Tag, den wir aufbrauchen,
lernen wir den Tod kennen,
aber wir haben das Leben vor uns,
auch an unserem allerletzten Tag.

    Kann man das sehen
oder beweisen,
so wie die Griechen
einen sichtbaren Beweis wollten?
Nein beweisen können es nicht.
Aber wir können uns an Christus festhalten,
an seiner Hingabe an Gott
und an die Menschen,
in seinem Leben
und erst recht in seinem Tod.
Wir können mit ihm sterben
und auferstehen.
Wenn wir uns an ihm festhalten,
dann können wir
allerdings einiges schon jetzt sehen:
dass Menschen
gelassener mit sich umgehen,
ihr Leben genießen,
sich für andere einsetzen,
Opfer bringen,
aber auch Grenzen setzen,
sich selbst achten.

Wenn das Weizenkorn
nicht in die Erde fällt
und erstirbt,
bleibt es allein;
wenn es aber erstirbt,
bringt es viel Frucht“.

 

Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit

Ihr Wilhelm Niedernolte

 
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