St. Vincenz zu Altenhagen I

Archiv

Andacht für die Woche vom 14.5. bis 20.5.2023

14.05.2023

Andacht für die Woche
vom 14.5. bis 20.5.2023
über das Evangelium
des Sonntags „Rogate“
und der folgenden Woche
Verfasser:
Pastor in Ruhe Eckhard Lukow
(früher St. Vincenz Altenhagen I
und St. Andreas Springe)

Lukas 11,5-13: Der bittende Freund

Und Jesus sprach zu ihnen:
Wer unter euch hat einen Freund
und ginge zu ihm um Mitternacht
und spräche zu ihm:
‚Lieber Freund, leih mir drei Brote;
denn mein Freund
ist zu mir gekommen
auf der Reise,
und ich habe nichts,
was ich ihm vorsetzen kann,‘
und der drinnen würde antworten
und sprechen:
‚Mach mir keine Unruhe!
Die Tür ist schon zugeschlossen
und meine Kinder und ich
liegen schon zu Bett;
ich kann nicht aufstehen
und dir etwas geben.‘
Ich sage euch:
‚Und wenn er
schon nicht aufsteht
und ihm etwas gibt,
weil er sein Freund ist,
so wird er doch wegen
seines unverschämten Drängens
aufstehen und ihm geben,
so viel er bedarf.
Und ich sage euch auch:
Bittet, so wird euch gegeben;
suchet, so werdet ihr finden;
klopfet an, so wird euch aufgetan.
Denn wer da bittet,
der empfängt;
und wer da sucht,
der findet;
und wer da anklopft,
dem wird aufgetan.
Wo bittet unter euch
ein Sohn den Vater
um einen Fisch,
und der gibt ihm
statt des Fisches eine Schlange?
Oder gibt ihm,
wenn er um ein Ei bittet,
einen Skorpion?
Wenn nun ihr,
die ihr böse seid,
euren Kindern gute Gaben
zu geben wisst,
wie viel mehr
wird der Vater im Himmel
den Heiligen Geist geben denen,
die ihn bitten!

Liebe Leserin, lieber Leser,
Welch eine wunderbare Beispielgeschichte
über das Beten erzählt Jesus und
welch eine wunderbare Beispielgeschichte
wird am „Sonntag des Gebets“
in der Kirche vorgelesen!
Jeder und jede kann sie verstehen
und jeder und jeder
wird er ermutigt,
im Gebet etwas zu sehen,
was für alle Fälle da ist.
Der Betenden und dem Betenden
schlägt keine Stunde.
    Mich bringt diese Beispielgeschichte
des bittenden Freundes
erst einmal zum Schmunzeln
über mich selbst.
Mir würde es genauso
wie dem bittenden Freund gehen!
Wenn spontan jemand zu Besuch käme
und meine Frau dann auch nicht da wäre,
wäre meine Freude über den Besuch
gewiss groß,
aber genauso auch die Verlegenheit,
was die Verköstigung angeht.
Ich beherrsche in Küchenangelegenheit
nur das kleine Einmaleins
und wäre bei unerwartetem Besuch
lieber Menschen auf fremde Hilfe
sehr angewiesen.
Ich bin ganz bei dem bittenden Freund.
Jesus spricht von ihm,
um uns zum Beten in allen Fällen einzuladen
und von dem Vorgehen
des bittenden Freundes zu lernen.
    In mir löst diese Beispielgeschichte
Erinnerungen an Menschen aus,
die mir Mut zum Beten gemacht haben.
Vielleicht geht auch Ihnen so.
Wer hat Sie auf dem Weg
in das Geheimnis des Gebetes begleitet?
Mir fällt das Abendgebet
in meinen Kindertagen ein.
Meistens hat mich mein Vater
ins Bett gebracht.
Zum allabendlichen Ritus
hat das gemeinsame Gebet gehört.
Als ich konfirmiert worden bin,
hat mich mein Vater
am Tage der Konfirmation gefragt,
ob ich abends noch bete.
Ihm war es wichtig,
dass ich für ihn
und für die ganze Familie bete.
Es war ihm genauso wichtig
mir zu sagen,
dass er für mich betet.
Und diese Verbundenheit im Gebet
war ihm immer noch wichtig,
als ich schon längst im pastoralen Dienst war -
und er immer, wenn es möglich war,
den Gottesdienst mitgefeiert hat.
Als sich viel später gezeigt hat,
dass die Lebenszeit meines Vaters
befristet ist,
da haben wir natürlich
unser Miteinander im Gebet
weitergepflegt
und als Wegbegleitung
immer wieder unser Gesangbuch genutzt.
    Bei mir löst diese Geschichte
auch weitere Überlegung aus.
Ich muss an die Menschen denken,
die den Zugang zu Gebet verloren haben
oder nie bekommen haben.
Das sind viele Menschen.
Die Gründe dafür liegen natürlich
auf der Hand.
Unsere Gesellschaft formt
einen bestimmten Typ vom Menschen.
Der moderne Mensch
muss ein aktiver Mensch sein.
Ist er aktiv, sportlich und erfolgreich,
erfreut er sich der Anerkennung
in Gesellschaft, am Arbeitsplatz
und in der Familie.
Da wird dann leicht vergessen,
dass unsere Kräfte nur begrenzt sind
und wir Gefahr laufen,
uns ganz und gar auszuzehren.
Aber diese Gefahr
wird in der Gesellschaft verdrängt.
Die Menschen,
die dieser Gefahr erlegen sind,
sind dann oft sich selbst überlassen.
Außerdem ist unser heutiger Aktivismus
immer auch mit dem Risko verbunden,
die spirituellen Bedürfnisse
aus dem Blick zu verlieren
und damit die Quellen
des geistlichen Glücks versiegen zu lassen.
    Wie gut, dass wir als Kirche
den Sonntag des Gebets anbieten können
und feiern können.
Das Gebet wird heute
immer noch praktiziert.
Auf ihm liegt ein besonderer Segen.
Es geht nicht darum,
dass unsere Wünsche erfüllt werden.
Es geht darum,
dass unsere Sehnsucht nach Gott
nicht unerfüllt bleibt.
Ohne Gebet wird Gott
leicht zu einer bloßen Worthülse
und zu einer leeren Vokabel.
Aber das Gebet
„heilt“ solche Erfahrungen.
Aus der Vokabel „Gott“
wird eine Erfahrung
von Liebe besonderer Art.
Und eine zweite Erfahrung
wird früher oder später möglich:
dass Gott uns in dieser Welt braucht,
damit wir zu einem solidarischen Leben
beitragen.
Entdecken wir durch den Sonntag Rogate
und durch die entsprechenden Worte
aus der Heiligen Schrift,
dass Gott auch in dieser aufgewühlten Zeit
für uns komplizierte Menschen
nur ein Gebet weit entfernt ist.
Die jüdische Lyrikern Nelly Sachs
hat über das Gebet etwas gesagt,
was auch für Christen gilt:
Die Klagemauer -
im Blitz eines Gebetes
stürzt sie zusammen.
Gott ist ein Gebet weit
von uns entfernt
.

Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser,
wünsche ich,
dass Ihr Gebet nicht verstummt,
sondern sie weiterträgt in der Liebe Gottes -
an Tagen die Ihnen gefallen
genauso wie an Tagen,
die Ihnen nicht gefallen.
Ihr Eckhard Lukow

 
Powered by CMSimpleRealBlog
nach oben