St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 13. bis 19.November 2022

12.11.2022

Andacht für die Woche
vom 13. bis 19.November 2022
über das Wochenlied für den
Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres
(Volkstrauertag)

EG 378 „Es mag sein, dass alles fällt“

Verfasser: Superintendent in Ruhe
Christian Klatt (Springe)


„Es mag sein, dass alles fällt,
dass die Burgen dieser Welt

um dich her in Trümmer brechen.

Halte du den Glauben fest,
dass dich Gott nicht fallen lässt:

Er hält sein Versprechen.“

 

Dieses Lied erfreute sich in den 50er, 60er Jahren
in den kirchlichen Jugendgruppen
großer Beliebtheit.
Der Text stand in der sehr verbreiteten „Mundorgel“
und wurde gern gesungen,
freilich nach einer etwas beschwingteren Melodie,
als sie in unserem Gesangbuch steht.
1994 wurde es
in das neue Evangelische Gesangbuch aufgenommen,
und seit 2018 ist es
eins von den beiden Wochenliedern
für den Sonntag des Volkstrauertages.

    Der Text stammt von Rudolf Alexander Schröder,
dessen Lieder und Gedichte
während der Schreckensherrschaft der Nazis
für viele Menschen eine Quelle der Kraft
und des Trostes waren.

Er hat diese Verse 1936 geschrieben.
Da war Hitler gut drei Jahre an der Macht
und im Jahr der Olympischen Sommerspiele in Berlin
auf dem Höhepunkt begeisterter Verehrung
seitens der deutschen Bevölkerung.
Rudolf Alexander Schröder
aber gehörte zu denen,
die schon früh das Unheil kommen sahen.
„Es mag sein, dass alles fällt,
dass die Burgen dieser Welt
um dich her in Trümmer brechen.“

Wenige Jahre später war genau das eingetroffen:
Deutschland, ja, halb Europa lag in Trümmern.
Verursacht durch die bösen Geister
menschlichen Wahns,
die der Dichter in den nächsten Strophen
mit wenigen Worten benennt:
Trug und List hatten die Oberhand gewonnen,
Frevel hatte gesiegt,
Missetat und Missgestalt hatten
als gemeine Plagen ihr Unwesen getrieben.
Mit prophetischer Klarheit
sieht der Dichter
unter der damals noch glanzvollen Oberfläche
diese bösen Kräfte am Werke.
Nur scheinbar deutet er das Unheil
als Möglichkeit an:
„Es mag sein …“
Doch nein:
Alle fünf Strophen beginnen
mit diesen drei Wörtern
und verstärken so die Warnung
vor der sich anbahnenden Katastrophe
umso nachdrücklicher.

    Ich finde, dieses Lied
ist mit dem Ende der Naziherrschaft nicht erledigt.
Wenn wir es am Volkstrauertag singen,
öffnet es uns nicht nur den Blick für das,
was damals in dunkler Vergangenheit  geschah,
sondern auch für das,
was heutzutage durch menschliche Gier
und Gewissenlosigkeit an Bösem angerichtet wird.

    Doch der Dichter
wollte mit seinen Versen
kein Schreckensszenario beschreiben
und erst recht
keine düstere Stimmung des Entsetzens auslösen.
Vielmehr ruft er uns
in jeder Strophe zum Gottvertrauen auf:
„Halte du den Glauben fest,
dass dich Gott nicht fallen lässt:
Er hält sein Versprechen.“
   
„Gott ist mein Fels, meine Hilfe
und mein Schutz, dass ich nicht fallen werde“,
bekennt der Beter des 62. Psalms,
und von dieser Gewissheit des Glaubens
ist auch Rudolf Alexander Schröder überzeugt
und will sie mit seinen Versen
auch uns ans Herz legen:
„Gott lässt dich nicht fallen.“

    Es ist ein ernstes,
ein ehrliches,
ein nachdenkliches Lied.
Es ist ein Gewinn
für das Liedgut unserer Kirche.
Man singt es nicht einfach so herunter.
Es wirft hier und da wohl auch Fragen auf.
Aber es will uns Kraft geben und Mut machen.
Dass wir unser Leben trotz aller Ängste und Sorgen,
die uns gegenwärtig umtreiben,
im Vertrauen auf Gott tapfer bewältigen
und unseren Mitmenschen in diesem Vertrauen
auch hilfreich zur Seite stehen.
Und so beschließt Rudolf Alexander Schröder
sein Lied mit diesen Versen:

„Es mag sein, so soll es sein!
Fass ein Herz und gib dich drein,

Angst und Sorge wird’s nicht wenden.
Streite, du gewinnst den Streit!
Deine Zeit und alle Zeit

stehn in Gottes Händen.“

 

Ich wünsche Ihnen eine gute neue Woche
unter Gottes Schutz und Segen.

Ihr Christian Klatt

 
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