St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 12. bis 18.Juni 2022

11.06.2022

Andacht für die Woche vom 12. bis 18.Juni 2022
zum Wochenlied „Gelobet sei der Herr“ (EG 139)

Verfasser: Pfarrer in Ruhe Jürgen-Peter Lesch
(
Springe – früher Pfarrer der EKD in Hannover)

Liebe Leserin, lieber Leser,
am Sonntag, d. 12. Juni, feiern wir
das weniger bekannte „Fest der Heiligen Dreieinigkeit“,
auch „Trinitatis“ genannt.
Der genaue Ursprung dieses Festes
ist noch nicht erforscht.
Erst im 10. Jahrhundert
taucht eine besondere „Messe für die Trinität“ auf,
die an unterschiedlichen Tagen im Kirchenjahr
gefeiert wird.
Schließlich wird im Jahr 1334
diese Messe von Papst Johannes XXII.
auf einen bestimmten Tag festgesetzt.
Sie wird nun eine Woche
nach dem Pfingstsonntag gefeiert.
Die Reformation hat dieses Trinitatisfest
nicht nur übernommen,
sondern nummeriert überdies
die folgenden Sonntage durch,
sodass je nach Termin des Osterfestes
bis zu 27 „Sonntage nach Trinitatis“
gezählt werden.
    
Das Trinitatisfest ist nicht so gut zu verstehen
wie die drei christlichen Hauptfeste
Weihnachten, Passion/Ostern und Pfingsten.
An diesen drei Festen
erinnern wir uns  an Geschehnisse
aus der Heilsgeschichte Gottes
mit uns Menschen.
Trinitatis aber ist ein sogenanntes „Ideenfest“.
Es knüpft nicht an die Heilsgeschichte an,
sondern stellt
ein Thema des christlichen Glaubens
in den Mittelpunkt.
    
Das Wochenlied „Gelobet sei der Herr“
von Johann Olearius (1611 bis 1684)
ist nun eine gute Hilfe, um dieses Fest
etwas besser verstehen zu können.
Das Lied ist
in den Jahren 1665 und 1671 entstanden.
In ihm werden in den ersten drei Strophen
mit prägnanten biblischen
und traditionellen Aussagen
die drei Personen,
in denen Gott den Menschen begegnet,
lobpreisend umschrieben.
Sie lassen sich
den großen Festen der Christenheit zuordnen:
Weihnachten ist das Fest Gottes, des Vaters,
Passion/Ostern ist das Fest Gottes, des Sohnes,
und Pfingsten das Fest Gottes,
des Heiligen Geistes.
    
In der ersten Strophe
steht Gott, der Vater,
im Mittelpunkt des Lobes.
Gelobet sei der Herr,
mein Gott, mein Licht, mein Leben,
mein Schöpfer, der mir hat
mein’ Leib und Seel gegeben,
mein Vater, der mich schützt
von Mutterleibe an,
der alle Augenblick
viel Guts an mir getan.
Die Strophe beginnt
wie die beiden folgenden
mit „Gelobet sei der Herr“.
Dieser Lobpreis zieht sich
durch die gesamte Bibel, von „
Gelobet sei der Herr,
der Gott Sems“ (1. Mose 9,26)
bis zum Benedictus des Zacharias (Lk 1,68).
Gott ist und bringt Licht und Leben
für jede und jeden Einzelnen.
Er ist der Schöpfer,
der jedem Menschen
Leib und Seele gegeben hat.
Diese Worte erinnern
an das apostolische Glaubensbekenntnis.
Doch ist hier die Reihenfolge anders.
Am Anfang steht der Schöpfer,
erst danach wird Gott „Vater“ genannt.
Olearius bringt den Gedanken
an Gott als Vater zusammen
mit dem Schutz „vom Mutterleibe an“.
Das erinnert an die Worte
„der uns von Mutterleib
und Kindesbeinen an
unzählig viel zugut
und noch jetzund getan“
aus dem Lied „Nun danket alle Gott“
von Martin Rinckart.
Dieser Dank,
der während und nach den Gräueln
des Dreißigjährigen Krieges formuliert wird,
macht mich nachdenklich
und beschämt mich zugleich.
Wie groß sind das Gottvertrauen
und die Zuversicht von Männern
wie Olearius und Rinckart gewesen,
wenn sie so deutlich
ihren Dank und ihr Lob
unter bedrückenden
und schrecklichen Lebensumständen
formulieren konnten.
     In der zweiten Strophe
richtet sich der Lobpreis
an Gottes „liebsten“ Sohn:
Gelobet sei der Herr,
mein Gott, mein Heil, mein Leben,
des Vaters liebster Sohn,
der sich für mich gegeben,
der mich erlöset hat
mit seinem teuren Blut,
der mir im Glauben schenkt
das allerhöchste Gut.
War der Vater das Licht,
so ist der Sohn das Heil oder –
wie es Luther formuliert –
der Heiland.
Olearius erinnert hier daran,
was wir bei aller Osterfreude
über die Auferstehung von Jesus
oft vergessen.
Dass Jesus für uns
am Kreuz hingerichtet worden ist,
damit wir frei werden für ein Leben,
in dem wir uns anderen zuwenden,
in dem wir versuchen können,
durch Töne, Bilder, Worte
die Wirklichkeit aussehender zu machen
als Verlockung zum Lebenbleiben.
Das alles ist begründet im Glauben.
Der Sohn vermittelt uns Gott
als den Allerhöchsten,
wie er in Psalmen
und Liedern oft genannt wird.
    
In der dritten Strophe
wendet sich Olearius
dem „werten“ Heiligen Geist zu:
Gelobet sei der Herr,
mein Gott, mein Trost, mein Leben,
des Vaters werter Geist,
den mir der Sohn gegeben,
der mir mein Herz erquickt,
der mir gibt neue Kraft,
der mir in aller Not
Rat, Trost und Hilfe schafft.
Hier wird der Heilige Geist
wie in den meisten Pfingstliedern
und auch im Johannes-Evangelium (Joh 14,26)
ein „Tröster“ genannt.
Für Olearius ist er „mein Trost“,
der in allen Notsituationen
Rat und Hilfe und eben Trost schafft.
Alle diese Bezeichnungen
sind Übersetzungen
des griechischen Wortes „Paraklet“,
das im Johannes-Evangelium steht.
Der Geist gibt neue Kraft
und erquickt „mein Herz“.
Auch hier strahlt der Text
von Olearius nicht nur Zuversicht
und Hoffnung aus,
sondern auch den Dank
für die Stärkung, die Hilfe
und den Trost in schweren Zeiten.
    
In der vierten und der fünften Strophe
wechselt die Perspektive.
In den ersten drei Strophen
geht es um die persönliche Beziehung
zwischen dem Sänger
und dem dreieinigen Gott,
um die Bedeutung des persönlichen Heils,
was sich im wiederholten „mein“, „
mich“ und „mir“ ausdrückt.
Nun heißt es:
Gelobet sei der Herr,
mein Gott, der ewig lebet,
den alles lobet, was
in allen Lüften schwebet;
gelobet sei der Herr,
des Name heilig heißt,
Gott Vater, Gott der Sohn
und Gott der werte Geist.
Zunächst fasst Olearius
die vorangehenden Strophen zusammen.
Zugleich steigert er den Lobpreis
räumlich und zeitlich.
Räumlich, wenn er von „Allem“ spricht,
was in „allen Lüften schwebt“
und Gott lobt.
Zeitlich, wenn er davon spricht,
dass Gott ewig und sein Name heilig ist.
Das „ewig“ und „heilig“
wird noch einmal
in der fünften Strophe aufgenommen.
Hier steht das Heilige
am Anfang und das Ewige
am Ende des Lobes.
dem wir das Heilig jetzt
mit Freuden lassen klingen
und mit der Engelschar
das Heilig, Heilig singen,
den herzlich lobt und preist
die ganze Christenheit:
Gelobet sei mein Gott
in alle Ewigkeit!
Gemeinsam mit den Engeln
lobt und preist nun nicht mehr
wie anfangs das „Ich“,
sondern „die ganze Christenheit“ Gott.
Das Lied endet mit den Worten,
mit denen die ersten vier Strophen beginnen:
„Gelobt sei mein Gott“ –
„in alle Ewigkeit“.
Wobei sich „Ewigkeit“
sowohl auf des Lob
wie auf Gott beziehen kann.
Himmel und Erde,
Mensch und Engel
vereinen sich zu einem gemeinsamen
großen und ewigen Jubel.
Zum persönlichen Heil
kommt das Heil für die ganze Welt.
    
Als Johann Olearius
diesen großen Lobpreis schrieb,
lag der Dreißigjährige Krieg
etwa zwei Jahrzehnte zurück.
Die Folgen des Krieges
waren noch lange nicht überstanden,
die Wunden noch lange nicht verheilt.
Und immer wieder
zog die Pest durch das Land
und forderte ihre Opfer.
Ich frage mich, wie es möglich ist,
dass ein Mensch mit all diesen Erfahrungen,
bei all diesen Schrecken und Grausamkeiten
ein solches Loblied
auf den dreieinigen Gott verfassen kann.
Aus seinen Worten
sprechen ein tiefes Gottvertrauen
und eine große Zuversicht.
Zuversicht und Gottvertrauen -
beides erbitte und erhoffe ich
mir für mich selbst
und für uns alle.

Ich wünsche Ihnen allen
ein gesegnetes Trinitatisfest!
Jürgen-Peter Lesch

_________________________________________

Johannes Olearius
hat sein Loblied auf den dreieinigen Gott
überschrieben mit den Worten:
„Die Ermunterung aus dem Evangelio
zur dankbaren Betrachtung
dieses hohen Geheimnisses“.
Als Melodie wählte er die des Liedes
„Nun danket alle Gott“.
Sie stammt wie der Text dieses Liedes
von Martin Rinckart (1586 bis 1649),
Kantor und Pfarrer in Eisleben
und später in seiner Vaterstadt Eilenburg.
Die ursprüngliche Melodie
wurde wohl schon um 1630 komponiert.
Im Jahr 1647 wurde sie
von Johann Crüger (1598 bis 1662)
überarbeitet, der als Lehrer
am Gymnasium Zum Grauen Kloster
und gleichzeitig als Kantor
der St.-Nicolai-Kirche in Berlin wirkte.
Bis heute werden sowohl
das „Gelobet sei der Herr“ von Olearius
wie das „Nun danket alle Gott“ von Rinckart
nach der überarbeiteten Melodie
von Johann Crüger gesungen.
Sie hat sich
wegen der leichteren Singbarkeit durchgesetzt
und ist weit verbreitet.
Johann Sebastian Bach
bearbeitete das Lied
„Gelobet sei der Herr“ (BWV 129)
in einer Choral-Kantate
für den Sonntag Trinitatis.
Und auch für „Nun danket alle Gott“
hat er eine Choral-Kantate geschaffen (BWV 192).

 
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