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Andacht für die Karwoche vom 2. April bis 8. April 2023

01.04.2023

Andacht für die Karwoche
vom 2. April bis 8. April 2023

über das Evangelium des Sonntags Palmarum

„Der Einzug in Jerusalem“
(Johannes 12, 12-19)

Verfasser:
Superintendent in Ruhe Christian Klatt

 

Als die große Menge,
die aufs Fest gekommen war,
hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde,
nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus
ihm entgegen und schrien:

„Hosianna! Gelobt sei, der da kommt
im Namen des Herrn, der König von Israel!“

Jesus aber fand einen jungen Esel
und setzte sich darauf,
wie geschrieben steht
(Sach. 9, 9):

„Fürchte dich nicht, du Tochter Zion!
Siehe, dein König kommt
und reitet auf einem Eselsfüllen.“

 

Die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem
ist das Evangelium des Sonntags Palmarum,
mit dem die Karwoche beginnt.
Sie markiert einen totalen Gegensatz zu dem,
was wenige Tage später passiert:
Die Menschenmenge begrüßt Jesus
als ihren König mit Palmzweigen
(von daher der Name des Sonntags!)
und jubelt ihm zu
mit dem alten Huldigungsruf „Hosianna“.
Kurze Zeit danach aber,
als Jesus nach seiner Gefangennahme
dem römischen Statthalter Pilatus
vorgeführt wird,
schreien sie (oder andere):
„Kreuzige, kreuzige ihn!“

    Alle vier Evangelisten
beginnen den letzten Abschnitt
des irdischen Lebensweges Jesu in Jerusalem
mit diesem glorreichen Empfang.
Doch Johannes fügt seinem
oben zitierten Bericht
zwei Bemerkungen an,
die schon das dramatische Ende
anklingen lassen:
Die Pharisäer sind irritiert und verärgert.
Und die Jünger Jesu sind verwirrt
und verstehen gar nicht,
was da geschieht.
In der Tat hat die Szene
ja etwas Groteskes an sich:
Da wird einer als König begrüßt,
dem man das überhaupt nicht ansieht.
Er kommt nicht mit Ross und Reiter
und prächtigem Gefolge daher,
sondern reitet bescheiden auf einem Esel,


dem Arbeitstier des kleinen Mannes.
Das passt überhaupt nicht zusammen:
Die hochgesteckten Erwartungen,
die die begeisterten Menschen
auf Jesus setzen,
von dem sie schon so viel Wunderbares
gehört haben,
und auf der anderen Seite
dieses eher armselige Erscheinungsbild.

    Doch genau so hatte schon
einer der alten Propheten
den Messias, den von Gott gesandten Retter,
angekündigt.
Der Verfasser unseres Evangeliums
zitiert eine Bibelstelle
aus dem Buch des Sacharja:
„Siehe, dein König kommt
und reitet auf einem Eselsfüllen.“
Im Original wird dieser erwartete König
zusätzlich als „arm“,
vor allem aber
als „ein Gerechter und ein Helfer“
beschrieben.
In diesem Sinne hat Jesus
seine Rolle offensichtlich sehen wollen,
als er in die Hauptstadt Jerusalem einzog:
Er wollte dort nicht
den alten Königsthron besteigen
und die römische Fremdherrschaft beenden,
wie es wohl der Erwartung
der jubelnden Menschenmenge
entsprochen hätte.
Sondern auf einem schlichten Esel
reitet er in die Stadt,
als ein König des Friedens,
der Demut und der Barmherzigkeit.
Oder wie ihn das Adventslied,
das auch auf dieses Evangelium
Bezug nimmt, beschreibt:
„Er ist gerecht, ein Helfer wert;
Sanftmütigkeit ist sein Gefährt,
sein Königskron ist Heiligkeit,
sein Zepter ist Barmherzigkeit.“
    Der König auf einem Esel –
das ist ein starkes Gegenbild
gegen alle sonstigen Herrschaftsallüren:
nicht auf Machtstreben,
sondern auf menschliche Nähe,
nicht auf Selbstdarstellung,
sondern auf die Bereitschaft zum Dienen,
nicht auf Gewalt,
sondern auf Frieden
kam es Jesus an.
Deshalb ist er der wahre König,
den auch wir bei uns begrüßen
und um dessen Geist
wir für uns selbst und für alle,
die politische Verantwortung haben,
bitten wollen.


Ich wünsche Ihnen
eine gesegnete Stille Woche in diesen Tagen
und dann ein frohes Osterfest.
Bleiben Sie trotz aller gegenwärtigen Unruhen
und persönlichen Sorgen zuversichtlich!

Ihr Christian Klatt

 
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