St. Vincenz zu Altenhagen I

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Andacht für die Woche vom 17.5. bis 23.5.2020

15.05.2020

Andacht für die Woche vom 17.5. bis 23.5.2020
Hier:  Andacht zum Fest Christi Himmelfahrt am 21. Mai 2020
Verfasser: Jürgen-Peter Lesch
Pastor in Ruhe (Springe, früher Pastor der EKD in Hannover)


„Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde,
so will ich alle zu mir ziehen.“

(Spruch zu Christi Himmelfahrt: Joh. 12, 32)

Gottes Himmel wird weit geöffnet

Himmelfahrt muss man eigentlich unter freiem Himmel
zusammen mit anderen Menschen feiern.
Das gilt für den Gottesdienst an diesem Tag
genauso wie für die Männer (und Frauen),
die am „Vatertag“ ins Blaue ziehen.
Doch diesmal ist alles anders als sonst.

Das gibt die Gelegenheit,
über diesen Feiertag nachzudenken:
ein Fest an einem Donnerstag,
40 Tage nach Ostern und 10 Tage vor Pfingsten.
Ostern als Fest der Auferstehung von Jesus –
das ist schon ziemlich klar.
Und Pfingsten feiern wir als Christinnen und Christen
sozusagen unseren Geburtstag,
den Anfang einer weltweiten christlichen Kirche.
Aber Himmelfahrt – was gibt es da zu feiern?

Schauen wir zurück auf das Geschehen,
das uns im Neuen Testament überliefert wird.
Da zeigt sich:
in der Zeit nach der Auferstehung von Jesus
mussten seine Jüngerinnen und Jünger
schon Geduld haben.
Die Auferstehung war
zwar etwas wirklich Besonderes gewesen –
für die, die daran glaubten.
Aber eigentlich hatte sich
für die Anhänger von Jesus nichts grundlegend geändert.
In der Apostelgeschichte lesen wir,
dass der auferstandene Jesus unter ihnen erschien
und mit Ihnen vom Reich Gottes redete.
In den Evangelien lesen wir von einzelnen Begegnungen
zwischen dem Auferstandenen
und unterschiedlichen Gruppen von Jüngerinnen und Jüngern.
Und in der Guten Nachricht nach Johannes
wird sogar erzählt,
dass einige von ihnen
schließlich nach Hause zurückkehrten.
Dort machten sie genauso weiter wie in der Zeit,
bevor ihnen Jesus begegnet war.
Doch dann erinnern die Jüngerinnen und Jünger sich.
Sie erinnern sich an die Tage
zwischen dem triumphalen Einzug
mit Jesus in Jerusalem am Palmsonntag
und an seine Hinrichtung am Kreuz am Karfreitag.
Das ganze Geschehen hatten sie
eigentlich nicht richtig begreifen können.
Es war vor ihnen abgelaufen wie ein Film.
Erst jetzt fällt ihnen nach und nach
vieles von dem wieder ein,
was Jesus gesagt hatte.
So erinnern sie sich,
dass Jesus nicht nur ihnen,
sondern vielen anderen Menschen –
auch Griechen waren darunter –
seine Festnahme, Verurteilung und Hinrichtung
angekündigt hatte.
Er hatte von einer Entscheidung gesprochen.
Er hatte gesagt,
dass sich an den Herrschaftsstrukturen der Erde
nicht plötzlich alles ändern werde.
Die alten Kräfte würden weiterhin mächtig bleiben.
Und dann hatte er gesagt:
„Wenn ich erhöht werde von der Erde,
so will ich alle zu mir ziehen.“
Dieses „erhöht werden“,
das war natürlich das Aufrichten des Kreuzes von Jesus gewesen.
Das hatten die Jüngerinnen und Jünger
an dem Tag der Hinrichtung endlich verstanden.
Aber das bedeutet noch mehr.
Jesus wird auch über die Erde erhöht.
Er wird nicht nur am Kreuz in die Höhe gehoben.
Mit der Kreuzigung wird er
gleichzeitig in seine göttliche Herrlichkeit
und Macht eingesetzt.
Und die Anhänger von Jesus
verstehen es erst jetzt.
Mit seinen Worten
„so will ich alle zu mir ziehen“
ist ihnen ein Auftrag erteilt worden.
Jesus sendet sie in die Welt,
um das Evangelium zu verkünden.
Er sendet nun sie,
wie er selbst von Gott,
von seinen Vater (das also ist der Kern des Vatertags)
gesendet worden ist.
Seine Gefährten sind nun dazu berufen,
die Gute Nachricht von Jesus zu verkünden.
Und sie haben sein Versprechen,
dass er selbst sie alle zu sich ziehen wird.
Sie sind also bei ihrem Auftrag nicht allein.
Vierzig Tage nach Ostern
verabschiedet sich der auferstandene Jesus
von seinen Jüngerinnen und Jüngern.
Darüber wird uns in den Überlieferungen
von seiner Himmelfahrt berichtet.
Damit das geschehen kann,
öffnet sich der Himmel.
In der Apostelgeschichte heißt es darüber:

„Und als sie ihm nachsahen,
wie er gen Himmel fuhr, siehe,
da standen bei ihnen
zwei Männer in weißen Gewändern.
Die sagten:
Ihr Männer von Galiläa,
was steht ihr da und seht gen Himmel?
Dieser Jesus, der von euch weg
gen Himmel aufgenommen wurde,
wird so wiederkommen,
wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“
(Apg 1,10-11)

Der Himmel aber bleibt geöffnet.
Jesus ist jetzt nicht mehr in Nazareth
oder in Bethlehem oder in Jerusalem –
er ist sowohl in Nazareth
wie in Bethlehem wie in Jerusalem
wie in Rom
wie in Altenhagen I
und wie in Springe.
Und der Himmel bleibt überall dort offen.
Für alle Zeit.
Die Jüngerinnen und Jünger heben ihren Blick
und schauen sich um.
Sie schauen sich an
und sie sehen einander in die Augen.

Wir haben einen Auftrag
von dem erhöhten Jesus Christus.
Und wir sind nicht allein.
Zehn Tage haben die Jüngerinnen und Jünger noch Zeit.
Sie werden nun zu Apostelinnen und Aposteln,
zu Sendboten von Jesus.
Zehn Tage sind es bis Pfingsten.
Bis dahin haben sie Zeit,
sich auf Ihre neue Aufgabe vorzubereiten.
Wenn sie gewusst oder auch nur geahnt hätten,
was nach Pfingsten auf sie zukommen wird –
die eine oder der andere hätte wohl doch beschlossen,
wieder nach Hause zurückzukehren.
Vielleicht hätte er
seinen Freunden und seinen Kindern davon erzählt,
was er mit Jesus erlebt hatte.
Wie sie oder er mit Jesus von Ort zu Ort gezogen waren.
Dass sie traurig waren mit den Traurigen
und fröhlich mit den Fröhlichen.
Dass sie voller Hoffnung waren:
Mit Jesus sollte sich alles ändern.
Und doch war dieser Rest von Traurigkeit geblieben.
Diese Ahnung, dass sie das Ziel nicht erreichen würden.
Dass es den Himmel auf Erden nicht geben würde.

Gott sei Dank
haben sich die neuen Apostelinnen und Apostel
nicht von dem abschrecken lassen,
was vor ihnen lag.
Pfingsten haben sie zum ersten Mal
öffentlich die Gute Nachricht von Jesus Christus verkündet.
Und dann sind sie ausgeschwärmt in alle Welt
und haben über die Worte und Taten von Jesus berichtet.

Sich auf den Weg machen,
neue Herausforderungen suchen
und den Mut nicht verlieren –
das ist etwas, was wir
von den Apostelinnen und Aposteln lernen können.
Wir wissen nicht,
was in den kommenden Tagen,
Wochen und Monaten –
ja vielleicht Jahren –
auf uns zukommt.
Wir ahnen und wir fürchten wohl auch,
dass sich einiges, ja vielleicht vieles ändern wird –
ändern muss.
Viele mussten schon jetzt
neue Herausforderungen annehmen,
ihr Leben umstellen oder Arbeiten leisten,
die sie bisher gar nicht im Blick hatten.
Etliche Menschen wissen nicht,
ob ihre Arbeitskraft in Zukunft noch
in dem Maße gebraucht werden wird,
wie es vor der Corona-Krise der Fall gewesen ist.
Und immer noch gibt es keine wirkliche Sicherheit
vor einer Ansteckung.
Da ist es wichtig, sich zu erinnern.
Seit Christi Himmelfahrt ist der Himmel weit geöffnet.
Das heißt, es gibt mit Jesus Christus
eine Brücke zwischen Gott und uns Menschen.
Christus spricht: „Ich will alle zu mir ziehen!“
Wir irren nicht orientierungslos umher.
Wir sind nicht einem ungewissen Schicksal ausgeliefert.
Wir sind auf einem Weg hin zu Christus.
Und wir sind nicht allein unterwegs.
Seit dem Pfingstfest vor fast 2.000 Jahren
sind Menschen unterwegs.
Sie sind mit einem Auftrag unterwegs.
Sie sollen in Wort und Tat
die Gute Nachricht von Jesus verkünden.
Dabei sind sie traurig mit den Traurigen
und fröhlich mit den Fröhlichen.
Und es gibt immer noch diesen Rest von Traurigkeit.
Doch das Ziel bleibt Christus.
Dahin sind wir unterwegs.
Wir sind nicht allein.
Wir sind immer neu voller Hoffnung
und voller Vertrauen,
denn Christus hat es uns versprochen:

„Wenn ich erhöht werde von der Erde,
so will ich alle zu mir ziehen.“

 

Jürgen-Peter Lesch

 
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