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Andacht für die Woche vom 10. Mai bis 16.Mai 2020

10.05.2020

Andacht für die Woche vom 10. Mai bis 16.Mai 2020
Verfasser: Superintendent in Ruhe Wilhelm Niedernolte

(Eldagsen)


„Singet dem Herrn ein neues Lied“
(Psalm 98,1 – Wochenspruch am Sonntag Kantate)

Cantate – Singet!

Psalm 98, 1 Singet dem Herrn ein neues Lied                                             

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

nun dürfen wir wieder gemeinsam
Gottesdienst feiern in unseren Kirchen.
Wie schön!
Allerdings mit Auflagen:  

Abstand halten,
Atemschutzmasken tragen -
und nicht singen!

Warum nicht singen?
Um die Gefahr einer Tröpfchenübertragung zu vermeiden.
Wirklich? Nun gut, das muss ich akzeptieren.
Aber: Einen Gottesdienst ohne Singen
kann ich mir nur schwer vorstellen.
Denn, wenn mir jemand sagt:
Unsere Gottesdienste sind langweilig,
da sitzt man immer nur herum
und ist gar nicht beteiligt,
dann kann ich das nicht bestätigen.
Ich bin durch das Singen sehr beteiligt.

In einem normalen Gottesdienst werden fünf Lieder
mit jeweils ca. 4 Strophen gesungen, plus Liturgie.
Das trainiert den ganzen Körper,
wenn man richtig mitmacht.
Darum ist für mich ein Gottesdienst ohne Gesang
nur schwer vorstellbar.

Aber singen bedeutet noch mehr.
Singen stärkt auch meinen Glauben.
Zum Beispiel eins der bekanntesten Lieder
unseres größten evangelischen Liederdichters Paul Gerhardt:

Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr,

meines Herzens Lust.

Dabei hatte Paul Gerhardt

alles andere als ein leichtes Leben.

Er hatte eine nur mittelprächtige berufliche Laufbahn,

und er hatte  schwere Schicksalsschläge zu ertragen.

Und er singt:

Ich sing und mach auf Erden kund,

was mir von dir bewusst.

Diese Kraft seines Glaubens,

die sich manchmal in Zustimmung,

aber auch in Protest,

in Fragen oder getröstet sein äußert,

ist uns in seinen Liedern erhalten,

und wir spüren sie noch heute

und darum singen wir sie so gern.

Singet dem Herrn ein neues Lied.

Oder:

Singet dem Herrn ein altes Lied neu.

 

Beispielsweise das Lied von Martin Luther:

Ein feste Burg ist unser Gott,

ein gute Wehr und Waffen.

Gelegentlich wurde dieses Lied

die Marseillaise des Protestantismus genannt.

Seine Worte sprechen mich unmittelbar

an in einer Zeit der Pandemie:

Der Fürst dieser Welt,

wie sauer er sich stellt,

tut er uns doch nichts,

das macht, er ist gericht’t,

ein Wörtlein kann ihn fällen.

Christus hat die Angst besiegt,

auch wenn sie sich immer wieder bemerkbar macht.

Singen stärkt den Glauben.

 

Wir singen aber auch Lieder,

deren Dichter uns zeitlich viel näher stehen

als die anderen,

zum Beispiel ein Lied von Arno Pötzsch:

Du kannst nicht tiefer fallen

als nur in Gottes Hand.

Arno Pötzsch wurde 1900 in Leipzig geboren,

er erlebte seine Kindheit in Armut:

sein Vater wurde arbeitslos

und starb im 1. Weltkrieg an Unterernährung.

Nach der Schulzeit war er Erzieher und Fürsorger

in einigen Brüdergemeinen der Herrnhuter Brüdergemeinde.

1935 wurde er Pastor in Sachsen,

geriet mit den Nazis aneinander,

weil er zur Bekennenden Kirche gehörte.

Er dachte, diesen Schwierigkeiten

am besten dadurch entgehen zu können,

dass er Wehrmachtspastor wurde.

Sein Dienstsitz wurde Cuxhaven;

er zog mit den Soldaten

an die Front nach Frankreich und Holland.

Nach dem Krieg wurde er Gemeindepastor in Cuxhaven

und starb dort 1956.

Er war also nur 20 Jahre als Pastor tätig,

hat aber durch seine Predigten

und Lieder großen Eindruck hinterlassen.

In Cuxhaven an der Petrikirche

trägt ein Platz seinen Namen.

Du kannst nicht tiefer fallen

als nur in Gottes Hand.

Er hat dieses Gedicht

ursprünglich unter die Überschrift gestellt:

unverloren.

Er wollte sagen:

Ich bin nicht verloren

und ich gehe nicht verloren.

Arno Pötzsch

war oft in seinem Leben auf verlorenem Posten,

als Kind, als Erzieher,

als Wehrmachtspastor irgendwo an der Front,

in seiner Krankheit.

Seine Biographie vermittelt den Eindruck:

er hat auch selbst dazu beigetragen,

dass er sich oft wie auf verlorenem Posten vorkam,

weil er sich überall,

wo er tätig war,

sehr verausgabte, zuviel arbeitete,

kaum Urlaub machte,

nur für seinen Beruf lebte

zu Lasten seiner Familie.

Dass er schon mit 56 Jahren starb,

hat sicher auch damit zu tun.

Er hat das Gefühl der Verlorenheit kennen gelernt,

und findet darin Verständnis bei Menschen unserer Zeit.

„Unverloren“ nennt er sein Gedicht:

Wir sind von Gott umgeben

auch hier in Raum und Zeit

und werden in ihm leben und sein in Ewigkeit.

Singet dem Herrn ein neues Lied.

Ich will diese alten Lieder neu singen,

diese alten Texte mit neuer Aufmerksamkeit wahrnehmen.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche

Ihr Wilhelm Niedernolte

Superintendent i.R.

 
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